Unternehmensanleihen – Wackelkandidaten erkennen und meiden

Bei der Auswahl von Unternehmensanleihen haben Privatanleger nicht immer ein glückliches Händchen. Dabei ließe sich die Zahl der Fehlgriffe bei Berücksichtigung einiger wichtiger Punkte stark verringern.

MS Deutschland, MIFA Mitteldeutsche Fahrradwerke oder erst jüngst bei der German Pellets. Immer wieder sind es auch Privatanleger, die von Pleiten mittelständischer Gesellschaften in besonderem Maße betroffen sind. Viele von ihnen orientieren sich beim Kauf von Unternehmensanleihen – oder wie bei der Windkraftfirma Prokon dem Erwerb von Genussscheinen – nämlich fast ausschließlich am Bekanntheitsgrad des Emittenten und natürlich der Höhe der ausgelobten Kupons. Hinzu kommt die niedrige Stückelung dieser Papiere, die es vielen Kleinanlegern überhaupt erst möglich macht, breit gestreut direkt in Corporate Bonds zu investieren. Worauf es aber wirklich ankommt, ist die Qualität des Geschäftsmodells, die Fähigkeit zur Anleihetilgung oder Refinanzierung sowie als letzter Ausweg die Höhe der Konkursquote – und zwar in genau dieser Reihenfolge.

Stabile operative Erträge und konstant hohe Cashflows sind das A und O

Dabei lässt sich ein funktionierendes Geschäftsmodell entgegen aller positiven Zukunftsprognosen des Managements insbesondere an stabilen operativen Erträgen und einem konstant hohen Cashflow erkennen. Sind diese beiden Bedingungen erfüllt, wird es in den allermeisten Fällen auch möglich sein, Zinsverpflichtungen zu erfüllen und fällige Anleihen zu refinanzieren. Gerade bei Neuemissionen ist in diesem Zusammenhang darauf zu achten, dass der Cashflow auch zur Abdeckung des nun deutlich höheren Kapitaldienstes ausreicht. Andernfalls sollten zumindest ein hoher Bestand an liquiden Mittel vorhanden und der Verschuldungsgrad (Verhältnis Fremdkapital zu Eigenkapital) überschaubar sein. Ein negatives Eigenkapital ist dagegen keinesfalls nur als Warnsignal zu sehen, sondern sollte zumindest von weniger erfahrenen Anlegern als Ausschlusskriterium betrachtet werden.

Gerade bei den Anbietern von Mittelstandsanleihen, die sich mit ihrer Werbung insbesondere an Privatanleger wenden, kommt dies aber in einigen Fällen vor. Nicht umsonst liegt die Ausfallquote dieser Schuldverschreibungen bei ca. 20% und damit deutlich höher als bei Unternehmensanleihen größerer Emittenten. Dabei ist der hohe Wert umso erschreckender, als die Mehrzahl der Schuldner aufgrund der kurzen Historie dieses Marktsegments noch nicht eine einzige Schuldverschreibung refinanzieren musste. An diesem Punkt beginnen nämlich oft erst die eigentlichen Probleme.

Das Laufzeitende kommt bestimmt

Potenziellen Käufern einer Anleihe sollte sich deshalb auch klar erschließen, wie der Bond am Ende der Laufzeit getilgt werden kann. Besonders wichtig ist dies in Fällen, in denen eine einzige Schuldverschreibung, an deren Refinanzierung dann wohlmöglich das Wohl und Wehe des Emittenten hängt, die Passivseite dominiert oder sogar die einzige wesentliche Position darstellt. Macht die Anleihe dagegen nur einen geringen Anteil der Bilanzsummer aus, und handelt es sich bei ihr zudem um die nächste größere Fälligkeit, sollte eine Tilgung in der Regel unproblematisch sein. Dies gilt umso mehr, wenn im Falle eines Falles zwecks Tilgung Konzernteile (z.B. Tochterfirmen) oder anderen Assets verkauft werden können. Auch ein stabiler Ankeraktionär, der notfalls Eigenkapital nachschießen würde, trägt erheblich zur Vermögenssicherheit der Anleihegläubiger bei.

Gerade bei Wackelkandidaten, deren Kupons und Renditepotenziale auf Privatanleger besonders verführerisch wirken, ist darüber hinaus das Worst-Case-Szenario in die Betrachtung mit einzubeziehen. Der Gläubiger muss sich bei diesen Papieren deshalb schon vor dem Kauf Gedanken darüber machen, mit welcher Rückzahlungshöhe er im Konkursfall mindestens rechnet. Je nachdem, ob das Papier gesondert besichert ist, oder es im Rang sogar hinter diversen anderen Forderungen steht, wie dies bei vielen Mittelstandsbonds der Fall ist, können die Befriedigungsquoten nämlich sowohl im mittleren oder sogar oberen zweistelligen Bereich liegen, genauso gut aber auch gegen null tendieren. Grundsätzlich ist eine derartige Abschätzung allerdings überaus kompliziert, so dass sich weniger erfahrene Privatanleger auf Emittenten mit funktionierendem Geschäftsmodell und uneingeschränkt positiver Rückzahlungsprognose beschränken sollten.

Kompromisse sind möglich

Trotz aller Warnungen, ist es andererseits auch nicht sinnvoll, ausschließlich auf Papiere bester Bonität ohne jeden „Kratzer“ zu setzen. Mit diesen Corporate Bonds ist beim aktuellen Zinsniveau schließlich kaum noch etwas zu verdienen. So lassen sich Defizite an der einen oder anderen Stelle durch entsprechend hohe Renditenerwartungen, die selbst bei gerade noch akzeptablen Anleihen durchaus auch mal in den mittleren bis hohen einstelligen Bereich hinein reichen können, kompensieren. Zu derartigen Renditen kommt es in aller Regel allerdings erst während der Laufzeit. Für Privatanleger besteht deshalb kein Grund, bei entsprechenden Engagements übermäßige Eile an den Tag zu legen. Vielmehr sollten sie sich bei der Analyse genügend Zeit nehmen, die Kursentwicklung beobachten und sich erst dann engagieren, wenn das Chance-Risiko-Verhältnis auch tatsächlich zu stimmen scheint. Dass gerade bei stark risikobehafteten Anleihen die breite Streuung des Kapitals unbedingte Grundvoraussetzung sein sollte, muss dabei wohl nicht extra erwähnt werden.