Während die EZB noch immer keine Anstalten macht, von ihrer Nullzinspolitik abzuweichen, ist der Zinszyklus in den USA schon relativ weit vorangekommen. Damit hat sich die Fed für den Fall schwächerer Wirtschaftsdaten zumindest etwas Handlungsspielraum geschaffen. Zusätzliche Belastungen für die internationalen Aktienmärkte, wie sie noch Ende vergangenen Jahres denkbar waren, scheinen von dieser Seite aus jedenfalls vom Tisch zu sein.

Mit ihrem neunten Zinsschritt seit 2015 hat die amerikanische Notenbank ihre Leitzinsen kurz vor Weihnachten auf eine Bandbreite von 2,25 bis 2,5% angehoben. Das war erwartet worden. Gleichzeitig betonte Notenbankchef Jerome Powell aber, dass er gegenüber Donald Trump, der ihn in den vorangegangenen Wochen immer wieder angegriffen und für seine Zinserhöhungen kritisiert hatte, nicht einknicken werde. Bei leicht reduzierten Wachstumserwartungen (2,3%) deutete Powell für 2019 zwei weitere Erhöhungen an. Zudem hob er die Robustheit der US-Wirtschaft mit ihrem großen Wachstum bei Jobs, Konsumverhalten und ökonomischer Aktivität noch einmal hervor. Den Aktienmärkten, die mit deutlichen Abschlägen reagierten, war das alles offenbar zu „hawkish“ (falkenhaft). Sie befürchteten eine zu starke Straffung der Geldpolitik, verbunden mit entsprechenden Auswirkungen auf die Realwirtschaft sowie auf Anleihe- und Aktienmärkte.

Ende der (kurzen) Fahnenstange in Sicht

Nur sechs Wochen später sieht die Lage allerdings ganz anders aus. Hatten schon in der Zwischenzeit verschiedene bedeutende Notenbanker zu Geduld bei weiteren Zinsstraffungen gemahnt bzw. den Zinsschritt vom Dezember sogar als „überzogen“ bezeichnet (James Bullard, Präsident der Federal Reserve von St. Louis), kam am 30. Januar die Bestätigung von höchster Stelle: Zwar beschrieb Powell die konjunkturelle Lage im Anschluss an die Sitzung des Offenmarktausschusses als weiterhin robust, gleichzeitig verwies er aber auf viele Unsicherheiten (Konjunkturabkühlung in Europa und China, globale Handelsstreitigkeiten, Brexit-Chaos, die Möglichkeit eines weiteren Shutdowns, …), die die Wirtschaft im laufenden Jahr nicht so stark wachsen lassen werden wie im letzten. Regelmäßige Leitzinserhöhungen erachte er nun auch wegen des moderaten Inflationsdrucks nicht mehr für notwendig. Die Fed habe in ihrer Entscheidung darüber, ob bzw. wann sie die Zinsen erneut anheben werde, vielmehr „the luxury of patience“.

Bemerkenswert wer zudem eine separate Stellungnahme zur Steuerung der Bilanzsumme. Demnach werde die Fed den Bilanzabbau von bis zu 50 Mrd. US-Dollar im Monat fortsetzen, grundsätzlich habe man aber nicht vor, die Überschussliquidität (Zentralbankgeld, das die Geschäftsbanken bei der Notenbank anlegen können) auf ein Normalniveau abzusenken. Die Überschussliquidität sei für den Bankensektor stabilisierend, sie sei ein „sicheres Asset“. 

Viele Beobachter sehen deshalb einen Paradigmenwechsel und gehen davon aus, dass die Fed ihren bisherigen vierteljährlichen Leitzinserhöhungsrhythmus im März unterbrechen dürfte. Gleichzeitig wurden die Erwartungen von zuvor zwei Anhebung im Jahr 2019 auf nur noch eine reduziert. Dies könnte dann durchaus die letzte im aktuellen Zinszyklus sein. Die Normalisierung wäre damit auf einem Leitzinsniveau beendet, das deutlich unter dem historischen Durchschnitt liegt. Gleiches gilt für die Normalisierung der Bilanzsumme. 

Zwei Seiten einer Medaille

In Bezug auf die US-amerikanischen Konjunkturaussichten ist die angedeutete Wende in der Geldpolitik natürlich kein gutes Signal. Zwar scheint eine höhere Inflation zunächst kein Thema mehr zu sein, andererseits fallen die Wachstumserwartungen der Notenbanker möglicherweise schlechter aus, als dies der Markt bisher vermutet hat.

Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass die Fed die zunehmende Nervosität an den Finanzmärkten zur Kenntnis nimmt und bereit ist, im Falle eine Falles entsprechend zu reagieren. Dabei sind ihre Möglichkeiten zwar begrenzt, aufgrund des inzwischen seit über fünf Jahren laufenden Straffungsprozesses, der mit der Reduzierung des Anleiheankaufprogramms Ende 2013 eingeleitet wurde, hat sie sich aber zumindest einen gewissen Spielraum geschaffen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass von dieser Seite aus Belastungen für die Aktienmärkte auf kürzere und mittlere Sicht unterbleiben werden. Bei größeren Problemen ist mit nachhaltiger Unterstützung durch die amerikanische Geldpolitik zu rechnen.

Sehr begrenzter Handlungsspielraum der EZB

Deutlich begrenzter sind die Möglichkeiten der Europäischen Zentralbank, die sich mit ihrem zum Jahreswechsel ausgelaufenen Anleiheankaufprogramm erst ganz am Anfang eines geldpolitischen Straffungskurses befindet. Entsprechend haben die heimischen Notenbanker auch deutlich weniger Pfeile im Köcher, um auf die gestiegenen Risiken auf der Abwärtsseite (Zitat Mario Draghi) sowie eine mögliche Rezession, die wir derzeit allerdings nicht erwarten, zu reagieren. Hartnäckig halten sich allerdings Spekulationen, die EZB könnte Geschäftsbanken – wie in vergangenen Krisen bereits geschehen – erneut langfristige Kredite zu extrem günstigen Konditionen zur Verfügung stellen. Entlastungspotenzial bietet zudem noch der Einlagensatz von -0,4% („Strafzins“), der beispielsweise auf null angehoben werden könnte. 

Gleichzeitig rückt mit den aktuellen Entwicklungen der Zeithorizont für eine Zinserhöhung immer weiter in die Zukunft. So ist die Konsensmeinung für einen ersten Schritt inzwischen im Jahr 2020 angekommen. Dann dürfte bei verschiedenen Risikofaktoren klarere Sicht herrschen. Für Kapitalanleger, die ihre Reserven nach wie vor auf dem Sparbuch oder in Form von Tages- und Festgeldern halten, ist dies umso bitterer, als sich der reale Vermögensverlust durch die inzwischen leicht gestiegene Inflation damit nicht nur fortsetzen, sondern verstärken dürfte. Es gilt deshalb nach wie vor unser schon seit geraumer Zeit immer wieder vorgebrachter Apell, in der Vermögensanlage gewisse überschaubare Kursrisiken einzugehen, und auf diese Weise zumindest eine ausgeglichene, besser natürlich leicht positive Entwicklung des Realvermögens anzustreben.