Sprach- und Gesichtserkennung, smarte Lautsprecher, autonomes Fahren oder digitale Assistenten. In vielen Bereichen des täglichen Lebens kommt der künstlichen Intelligenz eine kontinuierlich wachsende Bedeutung zu. Auch in der Vermögensverwaltung übernehmen Computer immer mehr „intelligente Aufgaben“ und haben den Menschen dank stark gestiegener Rechnerleistung auf verschiedenen Feldern bereits deutlich hinter sich gelassen.

Schon seit mehreren Generationen beschäftigen sich Wissenschaftler mit künstlicher Intelligenz. So reichen erste diesbezügliche Forschungsansätze bis in die 1940er Jahre zurück. Erst mit der zunehmenden digitalen Entwicklung, wie sie in den vergangenen 10-15 Jahren zu beobachten war und mit steigender Dynamik nach wie vor zu beobachten ist, ergeben sich jedoch immer mehr Anwendungsmöglichkeiten für künstliche Intelligenz. Zum einen sind die erforderlichen Daten heute in einem nie dagewesenen Umfang vorhanden und jederzeit verfügbar und zum anderen sind die Rechenleistungen und Speicherkapazitäten bei rapide abnehmenden Preisen massiv angestiegen, wodurch sich die Möglichkeiten für maschinelles Lernen und Deep-Learning-Algorithmen stark verbessert haben. 

Künstliche Intelligenz

Ganz allgemein bezeichnet der Begriff „Künstliche Intelligenz“ Lösungsverfahren, bei denen nicht der Mensch den Lösungsweg vorgibt, sondern die Maschine die Lösung selbstständig erarbeitet. KI setzt also die Fähigkeit voraus, aus Fehlern und Fehleinschätzungen zu lernen. Und genau aus dieser Eigenschaft, gepaart mit den heute erzielbaren Rechenleistungen, ergibt sich ihre Möglichkeit zu gewaltigen Veränderungen, bei denen Prozesse und Technologien oder sogar ganze Geschäftsmodelle in Frage gestellt, revolutioniert und vom Markt verdrängt werden. Je nach Umfang der Lernfähigkeit eines Computers wird dabei zwischen dem „Maschinellen Lernen“ und dem „Deep Learning“ unterschieden. Während das maschinelle Lernen den Computer befähigt, Muster in riesigen Datenmengen zu erkennen und seine Algorithmen entsprechend der Erkenntnisse selbstständig anzupassen, werden die Lernverfahren beim Deep-Learning durch den Einsatz künstlicher neuronaler Netze zusätzlich vertieft.

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Abbildung: Aufbau eines künstlichen neuronalen Netzes

Die Grundidee künstlicher neuronaler Netze (KNN) ist die Simulation des menschlichen Gehirns. Wie das Gehirn, bestehen KNNs aus Neuronen, die über Synapsen miteinander verbunden sind. Stark vereinfacht gesagt werden dem Computer dazu in einer Art Trainingsphase zunächst verschiedene Inputfaktoren, wie z.B. historische Daten und Handlungsoptionen sowie die entsprechenden Ergebnisse vorgegeben. Das neuronale Netz hat nun die Aufgabe, selbstständig einen Algorithmus zu entwickeln, durch den der Input möglichst exakt in die Ausgangsdaten (Output) überführt werden kann. Anfangs wird der künstlich erstellte Lösungsweg noch stark von der letztendlich gesuchten Formel abweichen. An die Neuronen wird ein Fehlsignal gesendet und die Stärke ihrer Verbindungen (Synapsenstärke) wird angepasst. Auf diese Weise kann die Fehleramplitude zwischen den künstlich erstellten und den vorgegebenen Ergebnissen immer weiter minimiert werden. Am Ende ist die Abweichung so gering, dass die Trainingsphase des künstlichen neuronalen Netzes abgeschlossen werden kann.

In einem zweiten Schritt werden aus den unzähligen gefundenen Formeln dann diejenigen ausgewählt, mit denen sich hinsichtlich der gewünschten Ziele in der Vergangenheit die besten Ergebnisse hätten erzielen lassen. Dieser Prozess ist niemals abgeschlossen, sondern es können mit Hilfe des antrainierten neuronalen Netzes nun immer neue Formeln und Regelwerke erstellt werden.

Finanzdienstleistungen als prädestiniertes Einsatzgebiet

Aus verschiedenen Gründen ist die Finanzdienstleistungsbranche für den Einsatz künstlicher Intelligenz besonders geeignet und auch empfänglich. So führten Veränderungen, beispielsweise auf der Zinsseite sowie im regulativen Bereich, zu einem disruptiven Umbruch innerhalb der Branche. Gleichzeitig hat der Wettbewerbsdruck durch junge innovative Finanztechnologieunternehmen, welche auf die veränderten Kundenerwartungen mit einer höheren Flexibilität als klassische Kreditinstitute reagieren können, stark zugenommen. Auf der anderen Seite basiert die Wertschöpfungskette von Kreditinstituten in hohem Maße auf zahlengestützten Prozessen, welche bereits seit vielen Jahren technologisiert ablaufen und eine Vielzahl von Daten zur Verfügung stellen. Zudem lassen sich gewinnbringende und verlustbehaftete Geschäfte anhand vordefinierter kritischer Erfolgsfaktoren (sog. Key Performance Indicators) differenzieren und entsprechende Zukunftsprognosen erstellen.

Für Banken und andere Finanzdienstleister ergeben sich durch die Entwicklung technologischer Anwendungen die auf künstlicher Intelligenz beruhen, weitreichende Möglichkeiten, ihre Effizienz zu steigern, Kosten einzusparen und auch in Zeiten enormen Margendrucks Wachstumspotenziale zu nutzen. Beispiele hierfür lassen sich diverse finden. So können Privatkunden, die einen Kredit benötigen, ihre Dokumente inzwischen über die Webseite der anbietenden Bank hochladen und sich mit Hilfe des Video-Identifikationsverfahrens ausweisen. Sekundenschnell erfolgt dann anschließend die Auswertung der Kreditunterlagen sowie die Zu- oder Absage an den Kunden.

Die prominenteste Form, künstliche Intelligenz in der Finanzbranche einzusetzen, sind aber wohl Robo-Advisors. Unter diesen digitalen Vermögensverwaltern versteht man intelligente Systeme, die unter Einsatz von Algorithmen ohne menschliche Beteiligung Anlageempfehlungen für ein optimiertes Portfoliomanagement aussprechen bzw. diese auch gleich umsetzen. Hierfür beantwortet der Anleger am Computer zunächst verschiedene Fragen, die sich unter anderem auf seine finanziellen Verhältnisse, den Anlagehorizont, die Risikoneigung usw. beziehen können. Anschließend gibt es Vorschläge zur Depotumsetzung (Self-Service). In der Full-Service-Variante machen die „Robos“ nicht nur Anlagevorschläge und vermitteln das Portfolio, sie verwalten das Depot danach auch eigenverantwortlich. Der Zugang zu den verschiedenen Assetklassen erfolgt dann meist über Investitionen in Exchange Traded Funds. Umschichtungen finden entweder permanent oder im Rahmen turnusmäßiger Überprüfungen statt, sofern sich die vorgegebene Gewichtung der verschiedenen Anlageklassen verschoben hat. Bei einigen Anbietern erfolgen auch Anpassungen an die Marktlage und es kommen zum Teil sogar Risikomanagement-Technologien zum Einsatz. Menschliche Emotionen – und hier liegt sicherlich ein Vorteil der Robo-Advisor – werden bei dieser Art der Geldanlage konsequent ausgeblendet.

Anlagestrategie auf Basis künstlicher Intelligenz

Bei der Wallrich Asset Management AG kommt künstliche Intelligenz in erster Linie bei der Umsetzung der AI (Artificial Intelligence) Prämienstrategien zum Einsatz. Nach intensiven Forschungsarbeiten ist es gelungen, ein quantitatives Regelwerk zu entwickeln, über das die Investitionsstrategie der beiden Wallrich AI Fonds (AI Libero und AI Peloton) gesteuert wird.

Das Anlagekonzept der beiden Fonds ist es, an der Terminbörse Eurex Puts auf den Euro Stoxx 50 zu verkaufen und dafür Optionsprämien zu vereinnahmen. Auf diese Weise ist es möglich, bei leicht fallenden, seitwärtstendierenden und steigenden Indexwerten jährliche Renditen im mittleren einstelligen Prozentbereich zu generieren. In Abwärtsphasen oder bei einem Crash entstehen zwar Verluste, da die Strike-Levels beim Verkauf der Puts in der Regel aber 6-7% unter dem aktuellen Stand des Euro Stoxx 50 liegen, fallen diese deutlich geringer als bei einem Direktinvestment in das wichtigste europäische Aktienmarktbarometer aus. Gleichzeitig bringen derartige Rücksetzer hervorragende Investitionsgelegenheiten, da turbulente Marktphasen mit steigenden Optionsprämien einhergehen.

Im Zuge des einschneidenden Corona-Crashs wurden die Regelwerke der AI-Fonds um einen Absicherungsmechanismus erweitert, sodass derartige systemischen Risiken zukünftig abgesichert werden. Wallrich Asset Management AG konnte seine technische Infrastruktur nutzen, um neue Formeln zu finden, die in Crash-Phasen bessere Ergebnisse erzielen. Dabei offenbart sich ein entscheidender Vorteil der künstlichen Intelligenz: Künstliche Intelligenz kann – genau wie der leibhafte Fondsmanager – aus Fehlern lernen und sich eigenständig optimieren.

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Abbildung: Backtesting aktuelle Regelwerke Wallrich AI Libero und Wallrich AI Peloton inklusive der Absicherungsstrategie über die letzten 12 Jahre, Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung

Seit Lancierung des AI Libero Ende 2017 ist es sehr vereinfacht gesagt nun die Aufgabe des Computers bzw. des zugrundeliegenden Programms, die Volatilität und die Preise der an der Eurex gehandelten Verkaufsoptionen auf den Euro Stoxx 50 mit denen der Vergangenheit zu vergleichen und bestimmte Muster zu identifizieren. Auf die erkannten Muster werden dann die mittels künstlicher Intelligenz optimierten Investitionsregeln angewendet und auf diese Weise die verschiedenen Fondsparameter gesteuert. Dazu zählen insbesondere der Investitionsgrad des Fonds sowie die Strike-Preise der verkauften Put-Optionen und ihre Laufzeiten. Dabei werden die jeweils erzielten Anlageergebnisse übrigens wiederum dazu verwendet, das Regelwerk weiter zu optimieren.

 

„Im Fondsmanagement schafft künstliche Intelligenz große Chancen“

MArcel Heintz

IT-Spezialist Marcel Heintz, Inhaber PegaSoft IT-Service und Mitentwickler der AI Prämienstrategien, zur Funktionsweise neuronaler Netze am Beispiel der Wallrich AI Fonds.

Welche Rolle spielt die künstliche Intelligenz bei den Wallrich AI Fonds?

Heintz: Die Wallrich AI (Artificial Intelligence) Fonds haben einen quantitativen Investmentansatz. Sie werden auf Basis eines Regelwerks gemanagt, das mit Hilfe künstlicher Intelligenz entworfen und kontinuierlich weiterentwickelt wird.

Wie wurde das Regelwerk entwickelt?

Heintz: Wir haben zunächst ein neuronales Netz mit mehreren Schichten programmiert und es mit mehreren 100.000 Formeln trainiert. Die Formeln, die mögliche Investitionsstrategien auf Grundlage einer Volastrategie beschreiben, wurden dabei vom Fondsmanager Stefan Wallrich vorgegeben. Sie unterscheiden sich hinsichtlich des Investitionsgrads, der Laufzeit der Optionen, dem Strikepreis und den Zeitpunkten zum Verkauf der Put-Optionen. Die Gleichungen wurden über einen Zeitraum von Anfang 2008 bis Ende 2016 anhand historischer Daten nachgerechnet und anschließend eine Formel als Ausgangsregel ausgewählt. Anschließend wurde dem Computer aufgegeben, selbstständig nach Regelwerken zu suchen, die zu den gleichen Ergebnissen wie die Ausgangsformel führen. 

Das hat dann auch geklappt?

Heintz: Zunächst wich der Output stark von den Lösungen der „echten“ Formel ab. Diese Abweichung wurde aber immer weiter reduziert, indem die Synapsenstärken in der inneren Schicht des neuronalen Netzes angepasst wurden. Nach circa fünf bis sechs Tagen war die Fehleramplitude so klein, dass das trainierte KI-Modell eingesetzt werden konnte. Mit der antrainierten Vorgehensweise des neuronalen Netzes konnte eine Vielzahl an Formeln gefunden werden. Anhand der Ergebnisse im Untersuchungszeitraum wurde das Regelwerk der Wallrich AI Fonds schließlich selektiert und wird nun immer weiter optimiert.

Welche Weiterentwicklungsmöglichkeiten und sonstigen Einsatzgebiete sehen Sie für das maschinelle Lernen bei der Wallrich Asset Management?

Heintz: Die Möglichkeiten, künstliche Intelligenz im Fondsmanagement einzusetzen, sind grundsätzlich groß. Aktuell arbeiten wir beispielsweise an einen KI-Ansatz, der „just-in-time-Bewertungen“ bzw. aktuelle Bewertungen der Börse hinsichtlich der Erfolgschancen und Erträge unserer Strategien vornimmt und daraus die jeweils bestmögliche Vorgehensweise ableitet. Gerade in Krisen- und Crash-Szenarien hilft dieser Ansatz große Verluste zu vermeiden, ohne dabei zu defensiv in anderen Börsenphasen zu agieren.