Deutschland ist weltweit für seine Fleischspezialitäten und vor allem für die Wurst bekannt - Von der Berliner Currywurst über die Thüringer Rostbratwurst bis hin zur Bayrischen Weißwurst, ob im Brötchen oder mit Pommes, ob Rind oder Schwein, ob mit Senf oder mit Ketchup. Von Nord nach Süd so viele verschieden Varianten und alle haben eine Gemeinsamkeit: Tierisches Fleisch als Hauptbestandteil. Doch der Wind dreht sich in eine neue Richtung, denn viele Verbraucher*innen stellen ihr Konsumverhalten um und die Nachfrage nach alternativen Fleischersatzprodukten steigt. Viele Fleischproduzent*innen geraten unter Druck und neue Unternehmen und Innovationen sitzen in den Startlöchern. Ein Umschwung, der sich nicht nur in der Lebensmittelindustrie zeigt, und von einer neuen Generation, mit einem gesünderen sowie nachhaltigeren Lebensstil, geprägt wird.

Zunächst ein paar Zahlen: Der Fleischkonsum pro Kopf ist in Deutschland von 64 kg im Jahr 1991 auf 57 kg in 2020 gesunken[1]. Global betrachtet essen durchschnittlich 86 % der Weltbevölkerung Fleisch, wobei in Japan mit 96% der Fleischkonsum am weitesten verbreitet ist und Indien mit 43 % den größten Anteil an Vegetarier*innen oder Veganer*innen besitzt. Generell ist zu sagen, dass in den Industrieländern mehr als doppelt so viel Fleisch gegessen wird wie in den Entwicklungsländern. So wurden weltweit 333 Millionen Tonnen Fleisch in 2020 produziert – Tendenz steigend[2].

Die Produktion von vegetarischen oder veganen Lebensmitteln ist in Deutschland im Jahr 2020 stark gestiegen. So konnten Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr 39 % mehr Fleischersatzprodukte herstellen. Dies entspricht einem Umsatzanstieg von 273 Millionen Euro auf knapp 375 Millionen Euro.

Nun stellen wir uns die Frage, womit das wachsende Interesse an Fleischalternativen zusammenhängt? Hierbei gibt es viele Einflussfaktoren und verschiedenste ethische Gründe, die den Konsum beeinflussen. Ein Aspekt ist das Tierwohl, welches viele Menschen wahren wollen, jedoch in den meisten Fällen missachtet wird. Zusätzlich sind es mangelnde Arbeitsbedingungen sowie immer wieder aufkommende negative Schlagzeilen, wie der Umgang mit dem Coronavirus in den Fleischereihallen oder dem Pferdefleischskandal, die das Vertrauen der Verbraucher*innen schmälern. Doch letztendlich sind die größten Ursachen für den Rückgang des Fleischkonsums in Deutschland zum einen die Gesundheit, die, vor allem bei älteren Menschen, unter zu viel oder falschem Fleischkonsum leiden kann und zum anderen die Auswirkungen der Massenproduktion auf die Umwelt.

Die Tierhaltung hat sich in den vergangenen 70 Jahren grundlegend geändert. Noch in den 1960er Jahren wurde ein großer Teil der Tiere in kleineren bis mittleren Herden gehalten. Futter wurde auf dem eigenen Hof angebaut oder aus der Region bezogen. Heutzutage kommt der größte Teil des Fleisches aus intensiver Züchtung. Anstatt Gras wird angebautes Futter gefüttert. Inzwischen werden rund 40 % des Ackerlandes auf der Welt zum Futtermittelanbau genutzt. Wertvolle Ökosysteme wie Regen- und Trockenwälder und Savannen werden ausgerottet, wodurch Lebensräume von indigen Völkern und traditionellen Gemeinschaften sowie von Tieren und Pflanzen zerstört werden[3].

Doch das ist nicht alles, denn die FAO hat den Beitrag der Viehwirtschaft zu den weltweiten klimaschädlichen Gasen für das Jahr 2013 auf 14,5 % berechnet. Das macht über 55% der gesamten Treibhausgasemissionen des Nahrungsmittelsektors aus, wobei die Viehwirtschaft nur 37 % des Proteins und 18% der Kalorienversorgung der Weltbevölkerung bereitstellt[4].

Von all diesen negativen Einflussfaktoren geprägt und mit 2020 als zweitwärmsten Jahr seit Beginn der Messung 1880, entwickelt sich ein Trend, der weit über den wöchentlichen Supermarkteinkauf hinausgeht. Ob beim Strom- und Wasserverbrauch im Haushalt, bei der Wahl des Brennstoffs fürs Auto oder gar beim Autokauf selbst oder beim Erwerb von Kleidung und Kosmetik wird darauf geachtet, dass die Produkte bestimmte Kriterien erfüllen, um den ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Allerdings stellt sich nun die Frage, ob Fleischersatzprodukte wirklich so viel besser für die Umwelt sind als echtes Fleisch.

Die Rindfleischproduktion ist mit Abstand der größte Verursacher von Treibhausgasemissionen, was die Fleischindustrie betrifft. Durch den extremen Methan-Ausstoß entstehen pro Kilogramm Rindfleisch knapp 30,5 Kilogramm CO2-Abgase. Bei Geflügel sind es nur noch 4,3 kg, beim Schwein, 4,1 kg und beim Fleischersatz etwa auf Basis von Soja nur 2,8 kg und auf Basis von Erbsen nur 2,3 kg[5]. Zum Vergleich liegt der Verbrauch eines Mittelklasse-Pkws pro Person bei 15 kg CO2 auf 100km. Auch der Wasserverbrach und die Landnutzung sind bei der Rinderzucht im Vergleich zu Geflügel und Schwein sowie soja- und getreidebasierten Produkten mit weitem Abstand am höchsten.

Zwar wird Fleischersatzprodukten gerade auf Sojabasis immer wieder ein großer Flächenverbrauch für die Produktion vorgeworfen. Jedoch werden die Pflanzen direkt verarbeitet, während sie etwa bei der Rinderzucht als Futtermittel dienen. Das Soja, welches die Tiere fressen, könnte viel mehr Menschen ernähren als das Fleisch der Tiere selbst. Die ursprüngliche Frage nach einer nachhaltigen Alternative ist also eindeutig mit „Ja“ zu beantworten.

Trotz der überschaubaren Investitionsmöglichkeiten an der Börse in diesem Bereich, gibt es einige Unternehmen mit vielversprechenden Konzepten.
Die Firma Merck KGaA arbeitet an sogenanntem „Labor-Fleisch“. Der Ansatz basiert auf Technologien, welche Zellbiolog*innen auf der ganzen Welt bereits kennen. Dabei wird Fleisch aus echten tierischen Zellen in einem Prozess gezüchtet, der als „zellbasierte Landwirtschaft“ bezeichnet wird. Die Zukunftsvision ist es, dass Clean-Meat-Produkte wie Geflügel, Rind, Schwein oder Fisch in großem Maßstab kommerziell produziert werden[6].

Das US-amerikanische Unternehmen Beyond Meat wurde bereits 2009 gegründet und gilt als ein Pionier der Fleischersatz-Produkte. Zum Produktportfolio gehören Burger-Pattys, vegane Bratwürste sowie Meatballs. Mittlerweile konnte man sich aufgrund der guten Marktstellung strategische Partnerschaften mit KFC, McDonalds, Dunkin Donuts und neuerdings Pizza Hut sichern. Dennoch entwickelte sich der Aktienkurs in den letzten Monaten schlecht. Nichtsdestotrotz sieht sich die Geschäftsleitung aussichtsreich positioniert und möchte mittelfristig deutlich höheres Wachstum generieren. Dafür nimmt man aktuell höhere Verluste durch steigende Investitionen in Marketing, Vertrieb und Expansion in Kauf[7].

Wie die Automobilindustrie mit den Elektro Autos, so wird sich auch die Fleischindustrie früher oder später mehr und mehr auf Fleischersatzprodukte spezialisieren. Dem Klimawandel entgegenzuwirken ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit und jedes Soja-Schnitzel und jede Veggie-Wurst, die als Fleischalternative auf unseren Tellern landet, trägt ein kleines Stück zu unserem noch langen Weg in eine umweltfreundliche Zukunft bei.

Einzelnachweise:
[1] https://de.statista.com/themen/6781/fleischersatzprodukte/#dossierKeyfigures
[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/296612/umfrage/konsum-von-fleisch-weltweit-nach-fleischart/
[3] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/05/PD21_N033_42.html
[4] https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas#treibhausgas-emissionen-aus-der-landwirtschaft
[5] https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas#treibhausgas-emissionen-aus-der-landwirtschaft
[6] https://www.merckgroup.com/de/research/science-space/envisioning-tomorrow/scarcity-of-resources/cleanmeat.html
[7] https://www.beyondmeat.com/en-GB/