Wolfgang Packeisen, ADP Investment Management AG

Politik in Amerika: Fed Chef Bernanke hat schon vor Wochen gewarnt, dass die Wirtschafts-Krise (Arbeitslosigkeit) die Schicht der weniger Gebildeten so hart trifft, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in einem nicht mehr akzeptablen Umfang gefährdet sei. Der Vorfall von Arizona (Schüsse auf Politiker) ist ein Fanal. Die Tatsache, dass die von der neuen republikanischen Kongress-Mehrheit für Mittwoch angesetzte Abstimmung über eine teilweise Rücknahme der Gesundheits-Reform nach dem Anschlag blitzschnell von der Agenda gestrichen wurde signalisiert, das Washington um die gesellschaftliche Sprengkraft des Themas in der aufgeheizten Stimmung weiß (Wut über ungerechte Einkommens-Verteilung).

Wirtschaft in Amerika: Fed Chef Bernanke hat am Freitag bekräftigt, dass:

• die US-Konjunktur in 2011 deutlich schneller wachsen wird, als in 2010

• die Investitionen robust sind, der Immobilienmarkt aber in einer Depression steckt

• der US-Arbeitsmarkt einen Wendepunkt erreicht hat, allerdings genau wie die Konjunktur keinen Blitzstart aufs Parkett legt, sondern gemächlich aus dem Loch herauswächst (4-5 Jahre); Zyniker behaupten, der Aufschwung sei schon lange bei den Firmen der Wall-Street angekommen, nur beim kleinen Mann nicht (Arbeitsmarkt);

• die öffentliche Verschuldung der USA nicht zyklisch ist, sondern strukturell und wirklich gefährliche Proportionen erreicht hat, falls nicht schnell gravierende Reformen eingeleitet werden

• der Versuch der Republikaner, die Gesundheits-Reform in Teilen rückgängig zu machen, das Haushalts-Defizit noch verschlimmern dürfte

• die Anstieg der Rohstoff-Preise nicht von der Geldpolitik der Fed verschuldet wird

Krise des Euro und des Dollar

Noch vor wenigen Tagen bewegte sich der Euro in Sphären jenseits der 1,34 Dollar. Heute ist er fast bis auf 1,28 Dollar gerutscht. Der rasant verlaufene Wertverlust der Gemeinschaftswährung weckt Sorgen, dass sich ein erneutes krisenhaftes Abstürzen des Euro ankündigt, zumal es hinsichtlich der Schuldenkrise der EU-Peripherieländer spannend wird. Am Mittwoch wird der erste Bondmarktauftritt von Portugal im neuen Jahr erwartet. Sollte dieser scheitern, worauf die aktuelle Reaktion an den Märkten hinweisen, würde die Krise einem neuen Siedepunkt entgegenstreben. Viele Akteure scheinen böse Vorahnungen zu haben.

Am Tropf der Fed: Die Schwäche des Euro ist allerdings immer auch eine Stärke des Dollar. Der Markt feiert scheinbar die konjunkturellen Perspektiven der USA, die besser aussehen als noch vor kurzem gedacht. Konkret nährt das Hoffnungen, wonach die US-Konjunktur auf eigenen Beinen steht und nicht nur am Tropf der ultraexpansiven Fed hängt. Der Arbeitsmarkt-Bericht vom Freitag sah zwar wenig freundlich aus (nur 103 000 neue Stellen), das stört den Markt aber kaum. Ignoriert wurde auch eine andere äußerst interessante Entwicklung, die eigentlich den Kurs des Währungspaares Euro/Dollar deutlich beeinflussen sollte: Der amerikanische Finanzminister Timothy Geithner hat die Abgeordneten des von den oppositionellen Republikanern dominierten Repräsentantenhauses gewarnt, dass, wenn sie eine Anhebung der Obergrenze für die US-Staatsverschuldung verweigern, nichts weniger als der Staatsbankrott droht. Zwar handelt es sich bei den Äußerungen Geithners nur um eine taktische Bemerkung im Rahmen der Auseinandersetzung von Regierung und Opposition um den US-Bundeshaushalt. Und derzeit haben auch die Republikaner kein Interesse daran, die Konfrontation mit der Obama-Administration auf die Spitze zu treiben, das Wochenende in Arizona gilt aber als Spiegel der aufgeheizten Atmosphäre.

Apropos Hohe Verschuldung - Starökonom warnt vor Dollar-Crash

Barry Eichengreen, bekannter Währungsexperte, glaubt, die US-Devise werde ihre Rolle als alleinige Weltleitwährung verlieren. Auf dem Weg dorthin könnten die USA in die Rolle Griechenlands geraten.

"Amerika bleiben höchstens fünf Jahre, eher sogar weniger, um seinen Haushalt in Ordnung zu bringen - sonst werden die Finanzmärkte die USA ins Visier nehmen wie Griechenland", sagte der Berkeley-Professor. "Ich denke nicht, dass dies bereits 2011 passieren könnte, auch nicht unbedingt 2012 - aber nicht viel später, wenn Washington nichts tut", sagte Eichengreen.

In seinem neuen, am vergangenen Freitag in den USA veröffentlichten Buch "Exorbitant Privilege" prophezeit der Finanzexperte das Ende des Dollar als alleinige internationale Leitwährung. "Mit dem sinkenden ökonomischen Gewicht der USA steuert die Welt auf ein System mit mehreren internationalen Leitwährungen zu", sagte Eichengreen. Das sei historisch durchaus nicht ungewöhnlich. "Es dürfte sogar ein stabileres internationales Finanzsystem mit sich bringen - doch die Frage ist, wie die Welt dorthin kommt."

Bedingung für einen gelungenen Übergang zu einem neuen Weltwährungssystem sei, dass die USA ihr massives Budgetdefizit in den Griff bekommen. Sonst drohten große Probleme: "Wenn Investoren die Meinung erlangen, dass die US-Politik nicht gewillt ist, dem amerikanischen Volk die unangenehme Wahrheit ins Gesicht zu sagen, dann wird sich die Flucht aus dem Dollar beschleunigen", sagte Eichengreen. Ein Dollar-Crash wäre die Folge, der das Weltfinanzsystem ins Chaos stürzen könnte.

"Finanzkrisen entstehen oft um Wahlen herum, das sind Phasen der Unsicherheit", sagte der Starökonom, der sich ausgiebig mit der Entstehung derartiger Krisen beschäftigt hat. Bis zu den Wahlen im November 2012 müsse die US-Regierung daher einen verbindlichen Fahrplan für den Defizitabbau auf den Tisch legen.

Die US-Regierung soll nach Ansicht von Eichengreen allerdings nicht sofort mit harten Maßnahmen anfangen - wichtig sei zunächst ein verbindlicher Plan. "Doch wenn in der zweiten Hälfte 2011 die private Nachfrage anzieht, dann sollte man entschlossen mit der Konsolidierung beginnen." Eichengreen plädiert dafür, die gerade erst verlängerten Steuererleichterungen aus der Ära Bush 2012 auslaufen zu lassen - "je nach Stärke der Erholung für alle Einkommensschichten". Für viele US-Politiker seien Steuererhöhungen ein Tabu. "Doch sie sind unausweichlich, um das Defizitproblem anzupacken."

Eichengreen ist sicher, dass die US-Bevölkerung bereit ist, harte Einschnitte zu akzeptieren. "Ich glaube, es gibt eine gewisse Einsicht bei den Amerikanern." Das gelte jedoch nicht für die Politik. "Ich sehe weder beim Präsidenten noch bei den Führern der republikanischen Opposition die Bereitschaft, harte Entscheidungen zu treffen", sagte Eichengreen.

Kapitalkontrollen werden zunehmen

Für 2011 sieht er zunächst gute Chancen für eine beschleunigte Erholung in den USA. "Das wird dafür sorgen, dass sich die globalen Währungsspannungen letztlich nicht zu einem Währungskrieg ausweiten." Mit einer stärkeren US-Konjunktur würden mehr Dollar im Land bleiben - und damit die Dollar-Flut in die Schwellenländer abnehmen.

Dennoch rechnet der US-Ökonom damit, dass die Kapitalkontrollen in vielen Schwellenländern vorerst zunehmen. "Es wäre allerdings besser, wenn diese Länder stattdessen ihre Bankensysteme stärken, mit höheren Mindestkapitalquoten."

Das gelte auch für das europäische Bankensystem. "Die Probleme der Euro-Krise sind bisher nicht beseitigt", warnte der Ökonom. "Ich rechne fest damit, dass die Krise 2011 wieder aufflammt - und zwar heftiger als zuvor." Daher seien neue Schritte der Politik nötig. Nach Ansicht von Eichengreen gibt es nur zwei Wege nach vorn: "Erstens eine Umschuldung in den Problemstaaten - dafür müsste aber das europäische Bankensystem gestärkt werden", so Eichengreen. "Oder die Hilfskredite werden zu niedrigeren Zinsen gewährt - eine Variante davon wären Eurobonds."

Der Finanzexperte empfiehlt, dass die Bankenüberwachung zentral bei der Europäischen Kommission gebündelt wird. "Eine Währungsunion mit einem einzigen Finanzmarkt braucht auch einen einzigen Regulator, der unabhängig von nationalen Interessen agiert." Darüber hinaus spricht sich Eichengreen dafür aus, stärker die Leistungsbilanzen im Auge zu behalten. "Die Überwachung innerhalb der EU sollte nicht nur den Haushalt, sondern auch Leistungsbilanzen, Wettbewerbsfähigkeit und Lohnentwicklung beinhalten", sagte der Ökonom. "Es wäre für die Euro-Zone hilfreich, wenn die Binnennachfrage in Deutschland schneller wachsen würde."

Die aktuelle Krise und die institutionellen Defizite der Euro-Zone verhindern laut Eichengreen, dass der Euro den Dollar komplett als internationale Leitwährung ablöst. Auf sehr lange Sicht müsse ein Währungsraum zumindest ansatzweise in eine Fiskalunion übergehen. Dass die Europäische Zentralbank als "einzige handlungsfähige Kraft in der Euro-Zone" Staatsanleihen aufkauft, sei vorübergehend notwendig, aber keine Dauerlösung. Daher hält er institutionellen Reformen für notwendig. "Was definitiv nicht funktionieren wird, ist, den Status quo weiterzuführen", mahnte Eichengreen.

Apropos Ölpreis:

Im Grunde ist die intransparente Angebots-Nachfrage Situation Schuld, dass der Ölpreis notorisch schwer prognostizierbar bleibt, auch wenn Wall-Street Analysten gerne das Gegenteil vorgaukeln. Die historisch mittlerweile ungewöhnlich hohe Preis-Differenz zwischen einem Barrel Nordsee-Öl ($94) und NYMEX ($88) hat aber trotzdem weder was mit einem Angebots-Nachfrage Ungleichgewicht zu tun noch damit, dass die Nachfrage nach Öl in der EU höher ist, weil die US-Konjunktur strauchelt. Der Hintergrund ist schlichte Steuer-Arbitrage.

Der schwächere Ölpreis in Amerika im Vergleich zu Europa ist also ein direkter Spiegel der extrem hohen Lager-Vorräte in Louisiana, was aber weniger auf Fehlspekulation derer deutet, die als Wette auf steigende Notierungen hamstern wollten. In Wahrheit wurden die hohen Lagervorräte nur angelegt, um die jeweils am Jahresende erhoben Steuer zu vermeiden, die lediglich im Bundesstaat Louisiane nicht anfällt.

Unser Fazit: Im neuen Jahr sollte der US-Ölpreis weiter anziehen.

 

 

 

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