Augen auf beim Anleihekauf

Je aufwendiger die Werbung, desto mehr Vorsicht ist beim Erwerb von Anleihen und Genussscheinen geboten. Insbesondere bei starker oder sogar ausschließlicher Fokussierung auf Privatanleger sollten alle Alarmglocken angehen.

Das Zeichnen neu emittierter Unternehmensanleihen kann für Investoren eine interessante und lukrative Angelegenheit sein. Bietet der Schuldner die Papiere nämlich zu attraktiven Konditionen an, liegen oft schon die ersten Börsenkurse über dem Ausgabepreis, so dass ein späterer Einstieg mit höheren Kosten verbunden wäre. Dabei gibt der Emittent in aller Regel bekannt, welches Anleihevolumen er innerhalb der meist sehr kurzen Platzierungsfrist (wenige Stunden bis maximal eine Woche) zur Zeichnung anbietet. Oftmals wird die Zeichnung aufgrund hoher Nachfrage der im Wesentlichen institutionellen Investoren vorzeitig geschlossen.

Abseits des klassischen Zeichnungsverfahrens

Ist dieses Verfahren bei renommierten Unternehmen praktisch gang und gäbe, versuchen manche Emittenten, ihre Anleihen oder Genussscheine über längere Zeiträume hinweg insbesondere bei Privatanlegern zu platzieren (teilweise als „Dauerplatzierung“). Begleitet werden derartig Emissionen oft von scheinbar persönlichen Mailings, Werbeanzeigen im Internet sowie in Tageszeitungen und Magazinen oder sogar von aufwendigen TV-Spots. Dabei werden Aspekte wie die kleine Mindeststückelung ab 100 Euro, (angebliche) Referenzen Dritter und nicht zuletzt natürlich die „überdurchschnittlich attraktive Rendite“ der Papiere speziell hervorgehoben.

Fundierte Angaben darüber, wer genau hinter der Emission steht, für welche Zwecke die eingeworbenen Mittel verwendet werden sollen, wie die Ablösung am Laufzeitende erfolgen wird und welche Sachwerte, Rechte oder Zahlungen möglicherweise als Sicherheit dienen, sind in den entsprechenden Unterlagen dagegen lange nicht so prominent und klar dargestellt. Genau diese Faktoren sind es jedoch, auf die institutionelle Investoren, aber auch sachkundige Privatanleger bei der Auswahl interessanter Titel besonders achten.

Ein aktueller Fall

Als klassisches Beispiel für die beschriebene Art des Wertpapiervertriebs lassen sich übrigens die Schuldverschreibungen der WGF Westfälische Grundbesitz und Finanzverwaltung AG anführen. Über mehrere Jahre hinweg hatte die Gesellschaft verschiedene Anleihen vertrieben und diese in Anzeigen und Interviews aggressiv als mündelsicher beworben. Es wurde jeweils so viel Geld wie möglich eingesammelt, das maximale Emissionsvolumen zum Teil aber deutlich verfehlt. Mitte 2011 kamen erste Vorwürfe auf, dass es sich hier um ein Schneeballsystem handele und die WGF möglicherweise nur durch immer neue Anleihegelder überleben könne. Wohl auch, weil diese zuletzt ausblieben, musste das 2003 gegründete Immobilienunternehmen nun vor wenigen Tagen Insolvenz anmelden. Hauptgläubiger sind mit knapp 200 Millionen Euro die Anleihebesitzer. Zwar wurde stets mit der Besicherung der Papiere durch Immobilien geworben, deren Werthaltigkeit muss allerdings stark bezweifelt werden. Entsprechend notierten die Schuldverschreibungen an der Frankfurter Börse kurz vor der Kursaussetzung auch nur noch zu einem Viertel des ursprünglichen Ausgabepreises.

Orientierung an Profis ratsam

Nun steht natürlich nicht jeder Emittent, der bei der Platzierung seiner Anleihen oder Genussscheine von der klassischen Vorgehensweise mit sehr begrenzter Zeichnungsfrist und definiertem Zielvolumen abweicht, kurz vor der Insolvenz. Dennoch ist bei derartigen Verfahren ein sehr hohes Maß an Vorsicht geboten. Das ergibt sich schon allein daraus, dass sich diese Platzierungen nahezu ausschließlich an Privatanleger richten. Institutionelle Investoren oder semiprofessionelle Anleihekäufer, die sich durchaus auch für kleinere Emissionen interessieren, fallen als erfahrene Kontrollinstanz bezüglich der tatsächlichen Solvenz des Schuldners sowie der Werthaltigkeit möglicherweise hinterlegter Sicherheiten damit aus. Ihnen erscheint das Chance-/Risiko-Verhältnis ganz offensichtlich nämlich nicht attraktiv genug. Oft fehlt zudem ein Listing oder der Handel ist sehr illiquide (hohe Spreads), was zu unnötigen Kosten und Schwierigkeiten bei einem vorzeitigen Ausstieg führen kann.