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Am 23. Juni werden die Britten über den Austritt aus der Europäischen Union abstimmen. Bei derzeit leichtem Übergewicht der EU-Befürworter ist das Ergebnis noch relativ offen, so dass letztendlich die Treffsicherheit von Wayne Rooney und seinen englischen Nationalmannschaftskollegen den Ausschlag geben könnte.
Als England 1966 Fußballweltmeister wurde, brüstete sich der damalige Premierminister Harold Wilson damit, dass dies bisher nur unter einer Labour-Regierung gelungen sei. Da war es nur konsequent und folgerichtig, dass er sein Amt nach vorgezogenen und deutlich verlorenen Neuwahlen am 19. Juni 1970 wieder aufgeben musste. Schließlich war die englische Mannschaft nur wenige Tage zuvor bei der Weltmeisterschaft in Mexiko im Viertelfinale mit 3:2 n.V. gegen Deutschland ausgeschieden. Eine ähnliche Abhängigkeit droht nun auch David Cameron. Sollte Stürmerstar Rooney mit seinen Mannen und vielleicht auch noch das walisische und das nordirische Team bei der Fußball-EM in Frankreich bereits in der Vorrunde scheitern, wird dies für den Labour-Premier und seine EU-Pläne sicherlich keinen Rückenwind geben. Ein glanzvolles Weiterkommen der „Three Lions“ könnte dagegen durchaus eine gewisse Jubelstimmung erzeugen und sich damit positiv auf die Abstimmung auswirken.
Nun bewegen uns diese statistisch sicherlich wenig validen Zusammenhänge natürlich nicht dazu, die Spielstärke der britischen Spieler näher unter die Lupe zu nehmen (die Wettquote für ein Weiterkommen Englands liegt derzeit übrigens bei 1:1,1; bei Wales und Nordirland sind es 1:1,6 bzw. 1:3,5). Viel wichtiger ist die Auseinandersetzung mit den Folgen eines möglichen Brexits.
Institute sehen große Risiken
Die Befürchtungen vieler Wirtschaftsexperten und Institutionen fallen hier doch sehr weitreichend aus. So sieht der Internationale Währungsfonds in einem möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU eine „erhebliche Bedrohung der globalen wirtschaftlichen Stabilität.“ Ein solcher Schritt hätte wahrscheinlich langwierige Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU über die Neuordnung der Beziehungen zur Folge, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Märkte. Schon jetzt habe das geplante Referendum Unsicherheit für die Investoren geschaffen, wie es im jüngsten Weltwirtschaftsausblick des IWF heißt.
Ähnlich warnende Worte kommen auch von ifo Institut. So hätte ein Brexit viele negative wirtschaftliche Folgen für das Land, aber auch für die EU und Deutschland, wie Gabriel Felbermayr, Leiter des ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, sagt. Im schlimmsten Fall würde der Freihandel gestoppt, die Binnenmarktregeln verfallen, Zollschranken würden wieder errichtet. „Der Handel würde dann richtig teuer – insbesondere für Großbritannien.“ Dabei wird von den warnenden Stimmen allerdings meist der Worst Case beschrieben, wobei im Falle eines Falles Zwischenlösungen deutlich wahrscheinlicher sind.
Weder die Welt, noch die EU werden untergehen
So werden die EU-Privilegien nicht sofort, sondern erst nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren wegfallen. Das schafft Raum für Verhandlungen, an deren Ende auch sehr viel moderatere Lösungen stehen könnten. Dies zeigt ein Blick auf die Regelungen mit Norwegen, das zwar kein EU-Mitglied ist, wohl aber dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), einer vertieften Freihandelszone zwischen der EFTA (Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz) und der EU angehört. Großbritannien bliebe Teil des europäischen Binnenmarktes, weite Bereiche des EU-Rechts wären nach wie vor verbindlich, und auch die Personenfreizügigkeit würde bestehen bleiben. Wie Norwegen müsste auch das Vereinigte Königreich etwas Geld in die Gemeinschaft einzahlen, wenn auch weniger als bisher. In einigen Bereichen – und das ist ja letztendlich ein wesentliches Ziel der Brexit-Befürworter – würde London unabhängiger werden (z.B. Fischerei und Landwirtschaft). Der Mitsprache bei EU-Entscheidungen wären dafür enge Grenzen gesetzt.
Die Spanne der möglichen Brexit-Auswirkungen ist somit recht breit. Entsprechend quantifiziert eine Studie der Bertelsmann-Stiftung die relative Veränderung des britischen Bruttoinlandsprodukts je nach Ausmaß der handelspolitischen Abschottung bis 2030 mit -0,6 bis -3%. In Deutschland „wäre das reale BIP wegen den nachlassenden Handelsaktivitäten im Jahr 2030 schätzungsweise zwischen 0,1 und 0,3% geringer als ohne Brexit“, so die im Handelsblatt zitierte Studie weiter. Diese Zahlen zeigen, dass weder die Welt, noch die EU mit einem Brexit untergehen werden, und die direkten wirtschaftlichen Folgen recht überschaubar bleiben sollten. Ein anderes Thema sind die politischen Signaleffekte. So wird eine Austrittsentscheidung der Britten auch den Zusammenhalt der verbleibenden EU-Staaten weiter schwächen. Europa als Ganzes, aber auch die Europäische Union würden zudem an weltweitem Einfluss verlieren.
Kurzfristiger Volatilitätsanstieg zu erwarten
Während sich die langfristigen Folgen eines Brexits für die Kapitalmärkte in Grenzen halten dürften, könnte es mit Näherrücken des Abstimmungstermins durchaus zu erhöhter Volatilität bei europäischen und insbesondere britischen Aktien kommen. Bei einem Ausschlagen der Meinungsumfragen Richtung Austritt dürfte sich die aktuelle Schwäche des Pfundes wohl nochmals verstärken. Beides gilt erst recht für den Fall, dass es tatsächlich zu einem Brexit kommt, der dann eine etwas längere Unsicherheitsphase zur Folge hätte. Dann wird es zudem – das haben die großen Ratingagenturen bereits angekündigt – zu einem Downgrade britischer Staatsanleihen kommen.