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- 01. September 2016
Seit einiger Zeit kann die Finanzaufsicht BaFin Finanzprodukte verbieten. Dies soll dem Anlagerschutz dienen, gleichzeitig schränkt es mündige Privatanleger in ihren Investitionsmöglichkeiten aber weiter ein.
Auf deutschen Straßen kam es im vergangenen Jahr zu 3.459 Verkehrstoten. Ein nicht unerheblicher Teil hiervon hätte durch deutlich langsameres Fahren vermieden werden können. Gleichwohl fordert kein Politiker, die Höchstgeschwindigkeit von PKWs vom Werk aus auf maximal 80 oder sogar noch weniger Stundenkilometer zu begrenzen und den Erwerb schnellerer Fahrzeuge ausschließlich für Profirennfahrer wie Nico Rosberg oder Sebastian Vettel zuzulassen.
Genau dies ist im übertragenen Sinn nun aber bei Finanzprodukten im Gespräch. So hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) seit Inkrafttreten des Kleinanlegerschutzgesetzes im Sommer vergangenen Jahres „zum Schutz des kollektiven Verbraucherinteresses“ die Möglichkeit, bestimmte Vermögensanlagen und Finanzprodukte stark einzuschränken bzw. komplett zu verbieten. Erstmals plant die Aufsichtsbehörde dieses Vorgehen nun bei sogenannten Bonitätsanleihen.
Vollständiger Schutz erfordert vollständiges Verbot aller Finanzprodukte
Bonitätsanleihen sind strukturierte Wertpapiere (Zertifikate), die auf der Verbriefung von Kreditrisiken beruhen. Zins- und Rückzahlung erfolgen dabei in Abhängigkeit der Kreditwürdigkeit des Referenzschuldners. Sofern bei diesem während der Laufzeit der Papiere kein Kreditereignis – wie etwa die Insolvenz – eintritt, erhalten Anleger bei Fälligkeit den Nominalbetrag nebst vereinbartem Zinskupon ausgezahlt. Ist es zu einem Kreditereignis gekommen, fällt die Rückzahlung deutlich geringer aus, ein Totalverlust ist möglich. Als problematisch sieht es die BaFin unter anderem an, dass es „anders als bei Anlagezertifikaten, deren Wertentwicklung von Basiswerten wie beispielsweise Aktien oder Indizes abhängt“, Privatanlegern nur schwer möglich sei, Kreditrisiken bei Bonitätsanleihen zu bewerten. „Für sie ist nicht erkennbar, wie groß die Wahrscheinlichkeit für die Rückzahlung des Anlagebetrags ist und ob die Übernahme des Kreditrisikos durch die Höhe des Zinsversprechens adäquat vergütet wird.“
Ohne auf den Sinn und Zweck der Produkte näher eingehen zu wollen, sollten sich Anleger aber letztendlich bei jedem Anleiheinvestment mit der Bonität des oder der Schuldner auseinandersetzen, die zugrundeliegenden Kreditrisiken bewerten und überprüfen, ob der gebotene Zinssatz angemessen ist. Insofern könnten – spinnt man die Gedanken der BaFin einmal weiter – früher oder später auch ganz normale Schuldverschreibungen „zum Schutz des kollektiven Verbraucherinteresses“ für private Investoren unzugänglich gemacht werden. Ist das wirklich sinnvoll?
Institutionelle Anleger bevorzugt
Wohin falsch verstandener Anlegerschutz führen kann, lässt sich übrigens jetzt schon am Beispiel von Unternehmensanleihen ablesen. So müssen Emittenten bei einem öffentlichen Angebot ihrer Wertpapiere zur Information der Anleger ein Emissionsprospekt erstellen, bei der BaFin zur Prüfung einreichen und nach Genehmigung veröffentlichen, was selbstverständlich mit nicht unerheblichem Aufwand und Kosten verbunden ist. Die Prospektpflicht kann allerdings entfallen, wenn die Mindeststückelung des jeweiligen Wertpapiers 50.000 Euro oder mehr beträgt. Auf diese Weise sollen nicht institutionelle Anleger vor dem Kauf von Finanzprodukten, für die kein von der BaFin genehmigter Prospekt vorliegt, geschützt werden.
Die Prospektpflicht hat nun aber keineswegs zu einer verbesserten Aufklärung von Kleinanlegern beigetragen, sondern lediglich dazu geführt, dass immer mehr namhafte und sehr solvente Firmen ihre Schuldverschreibungen grundsätzlich nur mit einer entsprechenden Mindeststückelung begeben. Dem Großteil der Privatanleger, die bei der Vermögensaufteilung unbedingt auf eine hinreichend breite Diversifikation achten sollten, ist der eigenständige Erwerb von Corporate Bonds dieser Emittenten damit praktisch nicht mehr möglich. Sie sind auf Papiere kleiner und mittlerer Gesellschaften angewiesen. Diese können meist ab einem Volumen von 1.000 Euro erworben werden. Dafür liegt ihre Ausfallquote aber weit oberhalb der Anleihen von Großkonzernen, deren direkter Erwerb nunmehr in der Regel institutionellen Investoren vorbehalten ist. Satt den Privatanleger zu schützen, werden sie durch die Regularien des Staates bzw. der EU somit direkt in deutlich risikoreichere Papiere getrieben.
Aufklären statt Verbieten
Wir sind deshalb grundsätzlich der Auffassung, dass der Gesetzgeber zukünftig wieder stärker vom mündigen Anleger ausgehen sollte. Das beinhaltet auch das Vertrauen, dass sich vernünftige und aufgeklärte Menschen in Fällen, in denen sie sich mit der Materie insgesamt oder einzelnen Produkten nicht hinreichend auskennen, fachkundigen Rat und Unterstützung von Profis einholen. Dies gilt für alle Bereiche des täglichen Lebens, sei es für medizinische Fachfragen, den Bau eines Hauses oder eben auch den Erwerb einzelner Finanzprodukte bzw. die Vermögensanlage insgesamt. Immer stärkere Einschränkungen bringen dem aufgeklärten bzw. gut beratenen Privatanleger erhebliche Nachteile, nicht zuletzt auch bei der breiten Diversifikation, einem der wesentlichen Faktoren für den langfristigen Vermögensaufbau. Dabei darf übrigens nicht übersehen werden – um den Gedanken vom Anfang aufzugreifen – dass wir hier „nur“ über Vermögensfragen und nicht, wie im Straßenverkehr, über Menschenleben reden.