Absichern – aber richtig!
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- 02. Mai 2019
Statt auf Aktien oder aktienähnliche Investments grundsätzlich zu verzichten, sollten sich Privatanleger bei zunehmenden Risiken an den Kapitalmärkten lieber eine Absicherungsstrategie aufbauen. Möglich ist dies unter anderem über Put-Optionsscheine und Short-Turbos. Aber nur wer die Eigenschaften beider Produktarten kennt, kann die Hebelpapiere im Falle eines Falles optimal einsetzen.
Trotz stark reduzierter Wachstumserwartungen zeigen sich die Aktienmärkte in den vergangenen Monaten von ihrer besten Seite. Die Grundstimmung der Anleger hat sich deutlich aufgehellt. Ohne an dieser Stelle unnötig Wasser in den Wein gießen zu wollen (siehe auch Markt- und Fondsbericht), sind die verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten (Brexit, Europawahlen, Handelskonflikte, …) damit aber natürlich nicht vom Tisch. Vielmehr nimmt auf dem erhöhten Niveau die Gefahr für Rückschläge langsam wieder zu. Um in einem solchen Fall schnell reagieren zu können, sollten sich aktiv agierende Privatanleger frühzeitig mit den verschiedenen Absicherungsmöglichkeiten ihres Aktienbestands auseinandersetzen.
Verlustbegrenzung durch automatische Verkäufe
Eine Möglichkeit ist dabei das Setzen sogenannter Stopp-Loss-Kurse. Erfolgt die Berührung oder das Unterschreiten der gewählten Schwelle, kommt es automatisch zu einem Verkauf der jeweiligen Aktie zum nächsten Bezahlt-Kurs. Wird der Abstand hierbei zu knapp gewählt, kann dies bei stärkeren Schwankungen allerdings schnell auch ungewollte Veräußerungen zur Folge haben. Bei größerem Abstand sind bis zum Auslösen der Order dagegen höhere Verluste möglich. Zudem sind Anleger bei einem Verkauf in jedem Fall von einer späteren Kurserholung abgeschnitten. Gerade bei Titeln, von deren positiver Entwicklung der Investor überzeugt ist – und nur solche sollten sich schließlich im Depot befinden – stehen wir der Erteilung von Stopp-Loss-Orders deshalb kritisch gegenüber.
Absicherungsumfang bestimmen
Sinnvoller erscheint es da, den Aktienbestand als Ganzes abzusichern. Dann bleibt auch die Depotstruktur erhalten. Bei einem Portfolio aus deutschen Standardwerten kann dies mit klassischen Verkaufsoptionsscheinen oder Turbo-Short-Produkten (Knock-out-Zertifikate short) auf den Deutschen Aktienindex geschehen. Bei vielen europäischen Titeln im Depot kommt der Euro Stoxx 50 als Underlying in Frage. Dabei zeichnen sich Short-Turbos im Vergleich zu Put-Optionsscheinen insbesondere dadurch aus, dass bei ihnen praktisch kein Zeitwertverlust entsteht. Zudem haben zu- oder abnehmende Volatilitäten beim Basiswert nur einen sehr geringen Einfluss auf die Preisbildung der Produkte. Die Kursentwicklung von Turbos ist damit transparent und leicht nachvollziehbar. Entsprechend einfach lässt sich auch die zur Teil- oder Vollabsicherung eines Aktiendepots benötigte Stückzahl berechnen.
Um beispielsweise ein Portfolio mit deutschen Blue Chips im Wert von 300.000 Euro abzusichern, muss der Betrag lediglich durch den aktuellen DAX-Stand geteilt und anschließend mit der zur Absicherung „eines DAX“ benötigten Anzahl an Scheinen multipliziert werden. Bei einem Indexwert von aktuell 12.300 Zählern sind zur vollständigen Absicherung beim üblichen Bezugsverhältnis von 100:1 (um einmal den Index abzusichern werden 100 Scheine benötigt) somit genau 2.439 Short-Turbos erforderlich. Soll das Depot nur zur Hälfte abgesichert werden, sind es 1.220.
Neutralisierung der Depotentwicklung
Beachtet werden muss beim Rückgriff auf Turbo-Produkte allerdings die Knock-out-Gefahr. Wird die Barriere verletzt, platzt der Hedge und das Depot steht wieder ohne Schutz da. Anleger, die den Markt nicht kontinuierlich verfolgen und bei einem Knock-out nicht sofort eine neue Absicherung aufbauen können, sollten deshalb einen etwas größeren Abstand zwischen Barriere (Strikelevel) und aktuellem Indexstand wählen, wodurch allerdings ein entsprechend großer Kapitaleinsatz erforderlich wird.
Zu berücksichtigen ist zudem, dass Aktienbesitzer mit Short-Turbos für den abgesicherten Depotanteil immer eine vollkommen neutrale Position zum Markt einnehmen. Von Gewinnchancen sind sie damit gänzlich abgeschnitten. Ein Hedge mit Short-Turbos bietet sich deshalb insbesondere dann an, wenn der Anleger größere Kurssteigerungen in näherer Zukunft kategorisch ausschließen kann oder der Verzicht auf Gewinne im Absicherungszeitraum bewusst in Kauf genommen werden soll. Bildlich gesprochen, wird das Depot mit diesen Produkten ganz oder teilweise auf „Stand by“ gesetzt. Positive und negative Wertentwicklungen der Aktienpositionen werden vollständig neutralisiert. Verliert der Aktienanteil im obigen Beispiel 25.000 Euro an Wert, wird sich der Kurs der Short-Turbos um jeweils gut 10 Euro erhöhen und vice versa.
Gewinnchancen erhalten
Von Banken ausgegebene Put-Optionsscheine (Put-Optionen, die über die Eurex gehandelt werden, sind in der Regel sehr erfahrenen Anlegern vorbehalten) gleichen dagegen eher einer Versicherung, die bei fallenden Kursen des Basiswertes greift. Gleichzeitig – und hierin liegt ein wichtiger Vorteil einer Absicherung mit Verkaufsoptionsscheinen – bleibt die Möglichkeit der Partizipation an steigenden Märkten über den Basispreis hinaus erhalten.
Bei einem Indexstand von 12.300 Punkten kostet etwa ein DAX-Put mit ebendiesem Basispreis sowie einem Bezugsverhältnis von 100:1 aktuell 3,12 Euro. Zur vollständigen Absicherung des obigen Depots muss somit ein Betrag von 7.610 Euro (2.439•3,12) eingesetzt werden. Steigt das wichtigste deutsche Aktienmarktbarometer bis zum Auslaufen der Absicherung Mitte Juli beispielsweise auf 12.800 Zähler an (+4,07%), wird sich der Wert der im Depot enthaltenen Aktien rechnerisch um 12.195 Euro erhöhen. Die Optionsscheine verfallen wertlos. Insgesamt ergibt sich somit noch einen Gewinn von 4.585 Euro.
Anderseits wird aber auch deutlich, dass das Hedging mit Optionsscheinen aufgrund des Zeitwertverlustes, den die Papiere gerade kurz vor Fälligkeit aufweisen und der sinnbildlich als „Versicherungsprämie“ verstanden werden kann, in der Regel mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist. Diese fallen immer dann besonders hoch aus, wenn für den Basiswert starke Kursschwankungen erwartet werden (hohe implizite Volatilität).
Auf die Situation und die Präferenzen kommt es an
Ob letztendlich Put-Optionsscheine oder Short-Turbos zur Depotabsicherung besser geeignet sind, lässt sich nicht pauschal sagen. Im Wesentlichen ist die Wahl des jeweiligen Instruments wohl von den individuellen Erwartung des betreffenden Anlegers sowie seinen Präferenzen (Versicherungscharakter versus Komplettabsicherung) abhängig. Hinzukommen die aktuellen Marktparameter. So sprechen niedrige Volatilitäten, wie sie derzeit zu beobachten sind, relativ betrachtet eher für Put-Optionsscheine. Ihr Einsatz bietet sich zudem immer dann an, wenn Anleger mit einem sehr schnellen und heftigen Rückschlag rechnen. Der mit fallenden Aktienkursen in der Regel einhergehende Volatilitätsanstieg sorgt dann für einen zusätzlichen Preisschub, der den bei Optionsscheinen typischen Zeitwertverlust zumindest kurzfristig überkompensieren kann. Wird von sukzessive fallenden Aktienpreise über einen nicht genau definierten Zeitraum ausgegangen, spricht diese – wiederum relativ betrachtet – dagegen eher für Short-Turbos.