Norbert Bisky
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- 08. Juli 2010
Norbert Bisky: Weicher Tod
Seine neuen Arbeiten glühen von Schock und Trauer: Die Galerie Crone zeigt Norbert Biskys neue Bilder
„Elfenbeinschwarz nimmt einen tiefblauen Ton an, Eisenoxidschwarz lässt sich mit Braun mischen.“ Wenn Norbert Bisky über Schwarz spricht, glänzen seine Augen. Die Finger streichen über die Leinwand, fühlen die Farbe. Mal schimmert der dunkle Hintergrund in der seidigen Eleganz von Velázquez, mal wölkt er sich grimmig wie bei Goya, dessen Bilder Bisky als Student im Prado kopiert hat. Das Schwarz scheint sich über den Bildrand zu dehnen und den ganzen Raum zu füllen. Biskys jüngste Malerei handelt vom Tod.
Bis vor kurzem war der 40-jährige Künstler bekannt für seine unbesiegbaren Helden, immer durchtrainiert, manchmal frivol. Dynamisch schritten die Muskelmänner voran. „Die sportlich lustigen Jahre sind vorbei“, sagt Bisky. In den aktuellen Arbeiten, die er unter dem Titel „befall“ in der Galerie Crone zeigt, glühen von Schock und Trauer. Die Intensität der Erschütterung hat seine Kunst auf eine spektakulär neue Umlaufbahn katapultiert. Vor zwei Jahren hielt sich Bisky in Mumbai auf, als in unmittelbarer Nähe ein Terroranschlag auf das Luxushotel Taj Mahal verübt wurde, bei dem über 170 Menschen ums Leben kamen. In den ersten Bildern nach diesem Erlebnis übersetzte er den Horror noch wörtlich. Sechs Wochen später starb sein jüngerer Bruder mit 25 Jahren während eines Studienaufenthaltes in Edinburgh. „Als ich die Wohnung aufgelöst habe“, erzählt der Künstler, „habe ich gesehen, wie viele Spuren ein Mensch in der Welt hinterlässt.“
Jetzt wagt sich seine Malerei in ein Zwischenreich, zeigt das Nachglimmen eines Menschen. Der Mantel, der aus dem Dunkeln leuchtet wie Kerzenschein, hat den Körperabdruck, die Wärme, womöglich auch den Geruch seines früheren Trägers gespeichert. Ohne Bügel hängt er in Form – als Nachbild seines Besitzers. In einem Biwaksack schläft jemand einsam unterm Firmament. Ist es ein Obdachloser, oder liegt da ein Toter im Bodybag? Die Gestalt strahlt wie ein Kirchenfenster. In den filigranen Details entwickeln die Farben eine präzise Präsenz. Der schwarze Hintergrund gibt weich in die Tiefe nach. Bisky trägt das Schwarz durchbrochen auf, mischt ihm Lasurtöne bei, damit es Volumen erhält. Der Tod ist hier nicht kalt und scharf, sondern weich und sanft. Im Kommunismus, erklärt der Künstler, habe er glauben gelernt. „Ich bin ein religiöser Mensch“, bekräftigt er. „Ich will meine Kunst aufladen, will Räume schaffen, die durch Glauben geöffnet werden.“
Mag der Tod still sein, der Untergang ist stürmisch. In der Galerie Crone hat Bisky ein Katastrophenszenario aufgebaut. Weil er fürchtet, die Malerei könne zu glatt und abgeschlossen wirken, ergänzt er sie durch eine Installation. Am Fenster hängen geknotete Gardinen, wie sie die Hotelgäste in Mumbai benutzt haben, um sich abzuseilen. Sicherheitswesten liegen herum, Matratzen und Schlafsäcke. Die zerschmetterten Bänke, die zerschlissene Takelage erinnern an Géricaults „Floß der Medusa“: Der Legende zufolge konnten sich die Überlebenden nach dem Untergang der Fregatte nur retten, indem sie vom Fleisch ihrer Schicksalsgenossen aßen.
Die Ausstellung zeigt auch die neue Härte des Verteilungskampfes. Kurz nach der Eröffnung zerbröselte in Griechenland der Staat. Vom griechischen Virus ist die Rede, der Europa ergreift. In „befall“ fliegt uns die Welt um die Ohren, und niemand kann sie mehr zusammensetzen. Sturm und Flut erfassen in Biskys Bildern die Häuser. Ein Gasthof versinkt in den Wellen (36 800 Euro). Von einem Hotel steht nur noch das Gerippe (47 300 Euro).
Es wäre interessant zu sehen, wie hoch diese Malerei fliegt, wenn Bisky sie nicht durch Gegenstände mit der Erde vertäut. Noch traut er den sich auflösenden Formen nicht, so zerren entgegengesetzte Kräfte an der Ausstellung. „befall“ ist eine fast zärtliche Erkundung des Jenseits’, eine pathosfreie Recherche in der Welt des verstorbenen Bruders. Und ein sensitiver Befund der wirtschaftlichen Erosion. Mit ihrem diamantenen Leuchten vor dunklem Grund könnte man sich die Bilder auch im sakralen Raum vorstellen. Sie bedürfen der physischen Anbindung an die Wirklichkeit nicht. Biskys Malerei ist stark genug.
Galerie Crone, Rudi-Dutschke-Str. 26; bis 29.5., Di - Sa 11 - 18 Uhr.
Befall, Öl auf Leinwand, 160x160, 2010