Wolfgang Packeisen, ADP Investment Management AG

Quartals-Gewinne: Die laufende Quartalsberichts-Saison liefert neben den mehrheitlich ordentlichen Krachern auch einige Enttäuschungen wie Citibank, GoldmanSachs oder American Express. Hier handelt es sich zweifelsfrei um „Kannibalisierung“, denn wer chronisch krank ist, der wird heutzutage sofort gnadenlos abgestraft (verliert Marktanteile an starke Konkurrenten).

Aufschwung mit Substanz: Marktführer wie Alcoa, Intel oder IBM melden in den jeweiligen Sektoren durchweg kräftiges Umsatzwachstum (durchweg robuste End-Nachfrage). Während die Frühphase des Aufschwungs primär vom Lageraufbau geprägt war, sorgt der Übergang zu solider Endnachfrage als Treiber jetzt für mehr Substanz sowie höhere Qualität. Der natürliche Reflex der spekulativen Kulisse sind Positionen auf ein vorzeitiges, abruptes Ende der expansiven Geld- und Fiskalpolitik.

Normalität: Im Ergebnis löst das Gewinn-Mitnahmen selbst bei jenen Aktien aus, die mit Rekord-Gewinnen auftrumpfen können. Kurs-Rückschläge von 10-15% werden befürchtet, sollten aber kein Hinweis auf eine Verschärfung der Krise sein, sondern Teil der Rückkehr zur Normalität (Kaufgelegenheit?).

Keine Bremswirkung: Die Finanzpolitik (Geld und Fiskal) bildet auf absehbare Zeit keine Gefahr für die Konjunktur. Den Zenith für die Börsen-Kurse erwarten wir nicht vor 2012/2013, da der zyklische Aufschwung in der Frühphase steckt. Die Geldpolitik ist unverändert locker. Bremswirkung entsteht erst, wenn der Zins über das Niveau des Nominal-GDP steigt, aber bis dahin ist noch ein langer Weg.

Potentielle Risiken: Schlüssel-Risiken, die dem Aufschwung überraschend das Genick brechen könnten lauern in Form der rapide steigenden Energie- und Rohstoff-Preise, was die Nachfrage wie eine Konsumsteuer drangsaliert und/oder die Gewinnmargen der Firmen dezimiert. Eine ähnlich fatale Wirkung hätte auch ein Überspringen des Käuferstreiks am Bondmarkt auf die Mega-Schuldner USA und Japan, was z. Bsp. die Dollar-Zinsen gegen den Willen der Fed hochtreiben würde. Solch eine aggressive spekulative Attacke würde sich aber zuerst in einem Schwächeanfall des Dollars manifestieren, doch an dieser Front herrscht Ruhe.

Apropos Europa: In der EU wird weiter recht ideologisch über eine dauerhafte Lösung der Schuldenkrise debattiert. Es gibt zwar Unmengen guter Vorschläge, eine politisch mehrheitsfähige Variante ist aber noch nicht zu erkennen. Wichtig: Der Kapitalmarkt kommt langsam zur Einsicht, dass der Euro mit Zähnen und Krallen verteidigt wird, koste es was es wolle. Der Vorschlag, die Schulden der Griechen zum Marktkurs – also zu 50% der Bonds einzusammeln – klingt unerhört charmant (mehrheitsfähig?).

Apropos Asien: Chinas Wirtschaft expandierte in Q4/2010 erneut deutlich schneller als von den Analysten prognostiziert - trotz der behördlichen Bremsmaßnahmen (staatlich verfügter Lohnanstieg, feste Währung, Zinserhöhung, Drosselung der Kreditvergabe, Spekulations-Steuer auf Immobilien etc). Die Börse bezweifelt, dass es den Behörden gelingt, eine weiche Landung zu inszenieren, also den Inflationsdruck zu begrenzen ohne dabei das Wachstum zu beschädigen. Schlüssel-Kontroverse: Leidet die Konjunktur bereits unter Überhitzungs-Stress oder nur an den Folgen des drakonischen Wandels von der Export zur Konsum-Nation?

Apropos Währungen: Nachdem die Schweizer Politik den Wechselkurs des Franken faktisch zur Chef-Sache erklärt hat, hat sich der Euro etwas berappelt (von 1,24 auf 1,31 angezogen). Das etwas generellere Studium der jüngsten Währungs-Analysen von Investment-Banken unterstreicht aber, dass die Experten sich weniger mit der Frage der Richtung beim Kursverlauf beschäftigen als mit der Suche nach Gründen, warum die bekannten Prognose-Rezepte nicht mehr länger funktionieren (Zins oder Wachstums Differenz, Verschuldungs-Grad, Haushalts-Defizite, Innen-Politik, Export- und Zahlungs- oder Kapital-Verkehrsbilanz uvm).

Apropos Bondmarkt: Die Händler der Deutschen Bank lamentieren „es ist nahezu unmöglich das kurze Ende erfolgreich zu handeln, außer man hat das Glück gepachtet (Original-Ton: it is nearly imposible, to trade the short term Sovereign story unless luck is on your side).

Besonders auffällig ist die Tatsache, dass EU-Schuldner wie Spanien, Portugal, Griechenland und Irland immer häufiger auf den Gang zum Kapitalmarkt verzichten, da es ihnen augenscheinlich gelingt, sich das notwendige Geld stattdessen über das Instrument der „syndizierten“ Platzierung durch Banken zu besorgen.

Auszüge aus der Presse

1. Der IFO-Index hat im Januar einen neuen absoluten Rekordstand erreicht.

2. EZB warnt vor teurer Nahrung: Einen dauerhaften Preisauftrieb bei Lebensmitteln sagt die EZB in ihrem aktuellen Monatsbericht voraus. Es sei erkennbar, dass der Preisauftrieb bei den Nahrungsmitteln aufgrund der kräftig zunehmenden globalen Nachfrage langfristig bestehen bleibe. Beim Wachstum der Wirtschaft erwarten die Währungshüter weiterhin positive Daten. Die robuste Weltwirtschaft stütze die Exportwirtschaft, während auch die Binnenwirtschaft - gestützt von der expansiven Geldpolitik - einen wachsenden Beitrag leiste. Der steigende Ölpreis stellt allerdings ein zunehmendes Risiko dar.

3. Robustes Wachstum in China belastet den Dax. Anleger fürchten weitere Zinsschritte in Peking aus Sorge, dass die Notenbank eine Überhitzung vermeiden muss. Diese Erkenntnis machte sich sogar bei Edelmetallen negativ bemerkbar.

4. Was beunruhigt - Seit Monaten bemühen sich Europas Politiker darum, die Akteure an den Finanzmärkten zu beruhigen. Das gelingt ihnen denkbar schlecht. Der Grund dafür ist nicht etwa, dass die Entscheidungen, die gefällt werden, völlig untauglich wären. Aber wo sich jeder, der eigentlich nichts zu sagen hat, zu Wort meldet und wo viel versprochen wird, was kaum zu halten ist, entsteht Unsicherheit, die schon im Schaulaufen vor Wählern ärgerlich ist - erst recht bei den Bemühungen, Investoren zu beruhigen.

Gewiss, Europa ist eine politisch komplizierte Architektur, die mehr Auseinandersetzungen verlangt als ein Zentralstaat. Zudem kann keinem demokratisch denkenden Menschen daran gelegen sein, irgendwem den Mund zu verbieten, der Vorschläge zu machen hat. Aber wer - wie der EU-Kommissionschef - eine öffentliche Diskussion über die Aufstockung des Euro-Rettungsschirms anfacht, darf sich dann auch nicht wundern, wenn er damit Spekulationen über angeblich kurz bevorstehende Hilferufe noch anheizt. Ob es die Märkte wirklich beruhigt, wenn Europas Not-Geldtopf rasch vergrößert wird, ist ohnehin mehr als fraglich. Eine Aufstockung ist zumindest nicht dringlich. Denn selbst Portugal und Spanien könnte der EFSF wohl in seiner bisherigen Kapazität auffangen - und für alles weitere gibt es eine General-Garantie des EU-Gipfels.

Was beunruhigt, ist die sonderbare Vorstellung, dass Vertrauen nur eine Frage der Summe wäre, die Europas Staaten ins Schaufenster stellen - und dass Investoren endgültig Ruhe gäben, wenn die EU nachlegte. Die Erfahrung, wie schnell es geht, dass ein Staat zunächst unter Verdacht, dann unter Druck und schließlich unter den EFSF gerät, spricht gegen diese Hoffnung. Denn Investoren - auch und gerade rationale - zielen nicht auf eine angemessene Absicherung ihrer Risiken, sondern auf eine möglichst große. Es ist daher so gut wie unmöglich, sie mit finanziellen Garantien voll zufriedenzustellen.

Ob nötig oder nicht: Die Wahrscheinlichkeit ist gestiegen, dass sich Europas Staatschefs im März auf eine Ausweitung der effektiven Kreditkapazität des Schirms verständigen. Dessen große Bürgen, allen voran Deutschland, sollten im Gegenzug auf unverwässerte und strenge Vorgaben für die Konditionalität, den Stabilitätspakt und die Beteiligung privater Gläubiger im langfristigen Krisenschirm pochen. Alles andere wäre äußerst beunruhigend.

 

 

Haftungsbeschränkung
Die Inhalte dieser Website werden mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Der Anbieter übernimmt jedoch keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereitgestellten Inhalte. Die Nutzung der Inhalte der Website erfolgt auf eigeneGefahr des Nutzers. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des jeweiligen Autors und nicht immer die Meinung des Anbieters wieder. Mit der reinen Nutzung der Website des Anbieters kommt keinerlei Vertragsverhältnis zwischen dem Nutzer und dem Anbieter zustande.