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- 14. Juni 2011
Investment-Banker und institutionelle Fonds-Manager stöhnen, dass Fundamental-Daten zum jetzigen Zeitpunkt keine Rolle spielen (its all a game of confidence). Entscheidend für den Kursverlauf der nächsten Wochen sei allein die Erwartungshaltung, also die Hoffnung / Angst, ob und wie die Politik in der EU / USA mit der Schuldenfrage klar kommt.
Relativ betrachtet hat die EU es leichter, weil nur ein Kompromiss gesucht wird (kleinster gemeinsamer Nenner), während in Amerika ein ideologischer Richtungs-Kampf tobt (Gesund-Sparen oder Kaputt-Sparen).
Wer glaubt, die Geldpolitik sei das Zünglein an der Waage, da Zentralbanker hochkarätige Volkswirte und damit neutral-objektive Ratgeber der Politik sind, der irrt, denn die EZB steht mit beiden Füßen fest auf der Bremse (warnte gestern erneut vor Umschuldung für Griechenland), während Ben und sein Bart (Fachjargon für Fed-Chef Ben Bernake) unverändert Voll-Gas gibt (und der US-Politik mit schlimmen konjunkturellen Folgen droht, falls der Kongress einen Spar-Haushalt verabschiedet).
Pimco Chef El-Erian bringt die Frustration (unter Investoren, Wählern, Steuerzahlern) auf den Punkt wenn er formuliert: Glaubt man der Fed, dann ist alles nur transitorisch (vorübergehend). Beispiel: Die hohen Energie- und Rohstoff-Preise seien nicht inflationär, sondern „transitory“; die hohe Arbeitslosigkeit sei nicht strukturell, sondern nur zyklisch (also transitory“); die hohen Schulden werden dank höherem Wachstum mit zukünftigen Steuereinahmen getilgt (also nur transitory), die aktuelle Wachstums-Delle sei nur transitory (weil im 2. Halbjahr ein Aufschwung winkt), die Null-Zinsen sind nur vorübergehend usw usw. Anders formuliert: Ben und sein Bart beschwören, dass die aktuelle Geldpolitik nur „gute“ Inflation mit heilenden Kräften verursacht, im Kontrast zur „schlechten“ Inflation, die seine Vorgänger in der Vergangenheit produziert haben.
Der eskalierende staatliche Einfluss provoziert indes folgende Frage: Wenn der Staat (Zentralbank-Chef plus Finanz-Minister) bestimmt, was gut und was schlecht ist, dann spielt der Staat zwar den Portfolio-Manager, aber wer sagt, ob der Staat der bessere Portfolio-Manager ist, als der freie Kapitalmarkt (handelt es sich um eine vernünftige oder um eine gigantische Fehl-Allokation von kostbarem Kapital?).
Seit der Kapitulation von Wall-Street (Flucht der Banken unter staatliche Rettungs-Schirme) führt der Staat das Ruder auf der Kommando-Brücke. Eine Meuterei zeichnet sich nicht ab (alle fügen sich dem Primat der Politik).
PS: Peer Steinbrück ist zwar kein Politiker, kam in der jüngsten Deutschland-Umfrage über den beliebtesten Politiker aber immerhin schon auf Platz 4. Scheinbar spricht er eine Sprache, die Deutschland versteht (was nicht zwingend ein Kompliment - aber vermutlich mehrheitsfähig ist).
Bloomberg: Deutsche Versicherer reduzieren Griechen-Bonds
Die deutschen Versicherungsgesellschaften haben das Volumen griechischer Staatsanleihen in ihren Portfolios im Vergleich zum Vorjahr mehr als halbiert. Das geht aus einem internen Regierungs-Dokument hervor, das Bloomberg News vorliegt. Den Angaben zufolge besaßen Allianz SE, Munich Re, Talanx AG und andere deutsche Versicherer Ende März insgesamt Griechenland-Bonds im Volumen von €2,8, verglichen mit €5,8 Mrd. Portugiesische Bonds wurden demnach um 38% auf €2,8 Mrd reduziert, Irland um 45% auf jetzt €3,9 Mrd, Spanien -57% auf €9 Mrd, Italien -28% auf €20 Mrd. Deutsche Banken haben mittlerweile ein Drittel der griechischen Staatsanleihen, die sie noch im Mai 2010 hielten, abgestoßen.
Bloomberg: Dimon provoziert Bernanke - Wall Street will Aufseher zähmen
Jamie Dimon hat Ben S. Bernanke den Fehdehandschuh hingeworfen. Der Chairman und Vorstandschef von JPMorgan Chase & Co. warf dem Vorsitzenden der US-Notenbank Federal Reserve öffentlich vor, es mit der Bankenregulierung zu weit zu treiben. Damit erreicht der Kampf der Wall Street für weniger hohe Eigenkapitalvorschriften und gegen andere Aufsichtsbestimmungen eine neue Dimension.
“Jetzt sind sie aus der Deckung gekommen”, sagte William Poole, früherer Präsident der Federal Reserve Bank of St. Louis, am Mittwoch in einem Interview mit Bloomberg News. “Die Frage ist nun, wie überzeugend Dimon und andere ihre Anliegen vertreten können”. Dimon, Konzernchef der profitabelsten US-Bank, machte einen ungewöhnlichen Schritt, als er Bernanke auf einer Bankenkonferenz in Atlanta am 7. Juni anging und die Frage aufwarf, ob die Aufsichtsbehörden nicht zu weit gegangen seien beim Zügeln des US-Bankensystems und ob dies nicht das Wirtschaftswachstum verlangsame. Die Arbeitslosenrate in den USA ist im Mai auf 9,1 Prozent gestiegen. Die Eigenheimpreise sind im März auf den niedrigsten Wert seit 2003 gesunken, wie der S&P/Case-Shiller index für 20 Städte zeigte.
Poole hatte vor den Risiken der Realkreditinstitute Fannie Mae and Freddie Mac gewarnt, Jahre bevor der Kollaps eintrat, und er unterstützte auch die neuen, höheren Eigenkapitalanforderungen für die Banken. Er gibt Dimon aber in einem Punkt recht: Eine exzessive Regulierung in den USA dämpft das Wachstum und die konjunkturelle Erholung. Dimon “hat den Fehdehandschuh hingeworfen. Als nächstes sind jetzt detaillierte Studien über die Kosten der Regulierung erforderlich”, sagte Poole.
Eine beispiellose Rettungsaktion für das Finanzsystem im Jahr 2008 führte dazu, dass der US-Kongress eine Banken- und Finanzmarktreform beschloss, die im Dodd-Frank Act ihren Ausdruck fand. Gleichzeitig setzen die internationalen Bankenaufseher neue Eigenkapitalvorschriften für die Banken fest. Nachdem die Republikaner bei den letzten Wahlen die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewannen, verschärfen die Banken ihren Kampf gegen die neuen Vorschriften.
Banklobbyisten haben schon Widerstand gegen andere Teile des Dodd-Frank-Gesetzes angemeldet. So versuchen sie, die Unabhängigkeit der von Obama neu geschaffenen Verbraucherschutzbehörde aufzuweichen und wenden sich auch gegen die umfassende Regelung bei den außerbörslich Over-the-Counter gehandelten Derivaten.
Die Banker kritisieren nicht zuletzt die geplante Einführung von internationalen Kapitalstandards. Für die größten der weltweit systemisch wichtigen Banken (SIFIs) würde dies einen über die Minimumquote von 7% hinausgehenden Aufschlag von 3% bedeuten. Der endgültige Vorschlag soll beim G-20-Gipfel im Juli vorgestellt werden. “Wir gehen da wohl ein bisschen zu weit”, sagte Finanzvorstand Timothy Sloan von Wells Fargo & Co. im Hinblick auf die Regeln am Mittwoch auf einer Konferenz. Auch der Vorstandschef der britischen Barclays Bank, Robert Diamond, sagte am Mittwoch in London vor einem Parlamentsausschuss, 10% seien zu viel. “Ich habe wirklich große Bedenken, dass wir einige der Eigenkapitalrichtlinien zu hoch festsetzen”, sagte Diamond. Er habe große Angst, jemand werde in 20 Jahren versuchen, ein Buch über all die Maßnahmen zu schreiben, die mitten in der Krise ergriffen wurden, um die Erholung zu behindern, sagte Dimon auf der Konferenz zu Bernanke.
Bernanke räumte ein, Dimons Argumentation sei berechtigt. Es mangele der Fed an quantitativen Instrumenten, um die Auswirkungen aller regulatorischen Maßnahmen und Marktveränderungen während der letzten drei Jahre unterm Strich zu analysieren. “Es ist zu kompliziert”, sagte Bernanke. Er fügte hinzu, seiner Auffassung nach sei es möglich, die Banken sicher zu regulieren und gleichzeitig ihre Fähigkeit zu erhalten, “elementare Finanzdienstleistungen” zu erbringen.
Im Stillen bejubelten Dimons Kollegen von der Wall Street dessen öffentliche Infragestellung einer vermuteten Überregulierung. Leitende Manager von vier Banken sagten im vertraulichen Gespräch, auch sie sähen diese Gefahr. Einer äußerte die Befürchtung, der Schuss könne nach hinten losgehen und die Stimmung gegen die Banker erst recht anheizen.
“Die Wall Street hat keine Freunde und die Banken haben keine Freunde. Jamie Dimon ist da draußen so etwas wie ein Blitzableiter, wenn er solche Dinge sagt”, äußerte Michael Holland vom Vermögensverwalter Holland & Co. in New York. “Jamie Dimon hat öffentlich das Problem angesprochen, dass die Leute in Washington keineswegs Teil der Lösung, sondern vielmehr Teil des Problems sind”, sagte Holland in einem Telefoninterview weiter. Es sei bedauerlich, dass die Atmosphäre so vergiftet sei, dass man Fragen dieser Art nicht einmal aufwerfen könne.
Dimon, der oft sagt, JPMorgan habe eine Bilanz wie ein “Bollwerk”, ist einer der wenigen Bankenchefs mit dem Mut und dem Ansehen, die Notenbank öffentlich zu kritisieren. Das sagen Bankenanalysten, darunter Paul Miller von FBR Capital Markets. JPMorgan war die einzige der großen US-Banken, die auch während der Rezession profitabel arbeitete. Aus dem TARP-Programm des US-Finanzministeriums für die Banken hatte Dimon 25 Mrd. Dollar in Anspruch genommen - nicht weil die Bank das Geld benötigt hätte, sondern um ein Beispiel zu geben, wie Dimon sagte. JPMorgan gehörte zu den ersten, die die Finanzhilfen zurückzahlten.
JPMorgan wird Analystenschätzungen zufolge 2011 auf einen Gewinn von über 20 Mrd. Dollar kommen. Sie wäre damit die erste Bank, die diese Marke nimmt, seit 2006 Citigroup Inc. Mit Charles O. “Chuck” Prince an der Spitze 21,5 Mrd. Dollar Gewinn auswies. “Was hat er schon zu verlieren?”, fragt Miller mit Bezug auf Dimon. “Er ist verbindlich aufgetreten, so lange er konnte und hat damit nichts erreicht. Jeden Tag kommen sie und legen wieder neue Vorschriften auf den Tisch, die sich nur negativ für ihn auswirken können.”
In der Öffentlichkeit hat sich Dimon mit seinem Auftritt möglicherweise keinen Gefallen getan. Sie hält Banker für überbezahlt, zu wenig reguliert und verantwortlich für die schlimmste wirtschaftliche Krise seit der Depression. Von insgesamt über 8,7 Millionen verloren gegangenen Arbeitsplätzen seit Januar 2008 sind nur 1,8 Millionen wieder geschaffen worden. Dimon hat für seine Leistung im vergangenen Jahr 23 Mill. Dollar erhalten. Bernankes Gehalt betrug 199.700 Dollar. “Wie kann er so etwas sagen, ohne die Miene zu verziehen?”, schrieb Grahame Freeland, 62, Buchhalter im kanadischen Toronto in einer Email. “Das ist eine unglaubliche Heuchelei, nichts hat sich wirklich geändert. Dieser Mann, der zum Trog mit dem Geld der Steuerzahler ging, besitzt die Frechheit, die minimalen Kontrollen, die Bernanke einführen will, in Frage zu stellen”.
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