Wolfgang Packeisen, ADP Investment Management AG

Der Dax-Future ist gestern fast schon rekordverdächtige 7,08% gestiegen und das, obwohl die Analysten-Kommentare über das EU-Gipfeltrefen alles andere als schmeichelhaft ausfielen (”der Markt veschliesst die Augen vor den vielen Fragezeichen, die noch verbleiben”). Umgekehrt könnte man aber auch behaupten, die Nörgelei der Analysten über die Gipfel-Beschlüsse verfolgt allein das Ziel, die eigene Fehleinschätzung über die Politik im Vorfeld des Gipfels zu maskieren. Der Markt hat die von hoher Skepsis geprägten Analysten-Empfehlungenjedenfalls mit ausgesprochen höhnischer Verachtung quittiert und ist auf und davon galoppiert. Der Dax notiert mit knapp 6.400 nun gut 400 Punkte über jenem Niveau, dass die Profis als das maximale Jahresendziel für Dezember definiert hatten. Die Profis kaufen hier nichtmehr (warten ab, weil zu teuer). Mit Blick auf das extrem hohe Umsatz-Volumen darf auch ausgeschlossen werden, dass die Klein-Anleger für den gestrigen Kurssprung verantwortlich waren. Mit hoher Wahrschenlichkeit handelt es sich also um einen Short-Squeeze, sprich der Kapitulation jener Spekulanten, die auf ein Auseinderbrechen der EU gewettet hatten. Falls diese Erklärung zutrifft, dann ist gestern nur die 1. Welle über den Markt hinweg gefegt (in Welle 2 korrigieren Profis die Untergewichtung zur Benchmark in Richtung neutral, in Welle 3 geht der Markt netto long / Übergewichtung gegenüber Benchmark).

Zur Konjunktur: Amerika hat gestern die erste Schätzung zum GDP für Q3 veröffentlicht. Das Wachstum hat mit 2,5% alle Szenarien einer drohenden Rezession als Fehl-Prognose entlarvt. Besser noch: das Tempo der privaten Inlands-Nachfrage (private domestic purchases) lag bei real 4,1%. Addiert man dazu noch die Inflation iHv 2,5%, dann lat die nominale Nachfrage bei schlappen 6,1%. Ohne den massiven Rückgang der Lager und Vorrats-Haltung der Industrie wäre das Resultat spgar noch 1% höher ausgefallen. Bei gleicher Nachfrage mus die Produktion in Q4 hochgefahren werden, um einen weiteren Lager-Rückgang zu verhindern. Das GDP wird deshalb in Q4 selbst bei gleicher Nachfrage im vergleichzu Q3 beschleunigen. Die Volkswirte werden die Prognosen deshalb noch stärker anheben müssen.

Diese Werte haben mit Rezession so wenig zu tun, wie eine Kuh mit Eierlegen. In den Augen wohlwollender Kritiker haben sich die Volkswirte/Analysten mit ihren Horror-Szenarien wohl einwenig ver-irrt. In den Augen der Wall-Street Kritiker sind sie jetzt endgültig bis auf die Knochen blamiert. Der Verdacht liegt nah, dass Politik und Zentralbank genötigt werden sollten, weitere Rettungs-Maßnahmen zu beschliessen. In den USA wächst tatsächlich genau wie in England der Druck, die Geldpolitik erneut zu lockern (neue unkonventionelle Schritte werden bereits für Mitte November erwartet). Japan hat gestern die Geldpolitik erneut gelockert, China hat eine Lockerung avisiert und Experten erwarten, dass der neue EZB-Chef Mario Draghi in seiner ersten Pressekonferenz am nächsten Donnerstag den Weg für eine Zinssenkung der EZB ebnet.

PS: Die Ausgaben der amerikanischen Kommunen und Gemeinden sind um 5% geschrumpft (leere Staatskassen). Der Anstieg beim GDP signalisiert abersteigende Steuer-Einnahmen, womit auch die Körperschaften in Zukunft einen positiven Beitrag zum GDP leisten werden.

Unser Fazit: Die Fehlprognosen der Volkswirte beruhen auf der irrigen Annahme, dass die Wirtschaft ein Spiegel der grottenschlechten Umfrage-Werte beim Konsum – und Geschäftsklima-Vertrauen ist. Tatsächlich sind dieses Werte aber wohl eher ein Spiegel der Wut und Frustration über die Politik, als ein Ausdruck der zukünftigen Verhaltensweisen.

Was Verbraucher und Unternehmer sagen, ist nicht so entscheidedend, wie das, was sie in der täglichen Praxis tun. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Stimmung diesmal der Lage in der Realwirtschaft folgen wird und damit anders als in der Vergangheit nicht die Lage der Konjunktur diktiert. Einen ganz wesentlichen Beitrag dazu liefert die enorm expansive Geld-Politik, deren Bedeutung für die Nachfrage von vielen Volkswirten und Analysten immer noch sträflich vernachlässigt und deshalb völlig unterschätzt wird.

 

 

 

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