Wolfgang Packeisen, ADP Investment Management AG

Die Börse versucht, sich an die neue Situation anzupassen. Noch sorgen dunkle Gewitterwolken am politischen Horizont (Bsp: Athen, Rom, Washington) dafür, dass die Kurse trotz robuster Konjunktur und Dauer-G-20 Rettung nicht so richtig vom Fleck kommen. Gelingt es den Technokraten der EU aber, aus der bisherigen Wasser-Pistole EFSF eine Panzerfaust zu machen, dann gibt es keinen Weg mehr zurück.

Zur Erinnerung: Belgien hält unter den Industrie-Nationen mit knapp 15 Monaten den Weltrekord ohne Regierung. Mit Griechenland veralbert das Mutterland der „Demokratie“ die EU mit Kalauern (Reform, Referendum, Misstrauensvotum, Neuwahlen). Italiens Bunga-Bunga-Silvio proklamiert Party-Stimmung (was will die EU, unsere Hotels/Restaurants sind doch voll). Japan hat heute erneut “snap-elections” (Schnell-Wahlen) verkündet (wir haben aufgehört zu zählen). Amerika ist paralysiert, seit die schwer gespaltene Opposition (“Establishment” gegenpopulistisch, radikal-konservative Tea-Party) jede Reform blockiert (Arbeitsmarkt; Haushalts-Sanierung).

Wie geht es weiter? Der EZB-Fan-Club feiert, dass der Technokrat Trichet mit Super Mario Draghi durch einen handfesten Volkswirt ersetzt wurde, der endlich mal präventiv die Zinsen senkt. Eiskaltes politisches Kalkül: Mario hat der Zinssenkung den Vorzug vor der Gelddruckmaschine eingeräumt (EZB ist noch nicht der “lenderof last resort”). Der schleppende Kauf italienischer Bonds könnte aber Berlusconi kippen, was den Stallgeruch „mafiöser“ Einmischung in die italienische Innenpolitik verbreitet.

Das Ende der Illusion: Faktisch hat die Geldpolitik (EZB, Fed u.v.a.m) schon lange die Macht im Staat (Fiskal-Politik impotent). Mit dem Kauf von Staats-Anleihen werden die Geldhüter der westlichen Industrie-Nationen Nummer 1, 2 und 5 (Amerika, Japan, Italien) wie bei der Reise nach Jerusalem zum Königsmacher par excellence. Sie bestimmen, wer Platz nimmt auf dem Stuhl der Politik, wenn die Musik aussetzt.

Geringe Treffer-Quoten: Volkswirte und Analysten ärgern sich derweil über das plakative Unvermögen, die konjunkturellen Folgen des Polit-Spektakels korrekt zu projizieren. Die Real-Wirtschaft produziert wie der sprich-wörtlich störrische Esel laufend bessere Daten, als das, was die mit Früh-Indikatoren gefütterten Prognose-Modelle auswerfen (Konsum- und Geschäftsklima-Vertrauen, ISM, PMI der Einkaufs-Manager warnen vor Rezession). Einen scharfen Kontrast dazu bieten die Quartalsgewinne. Hier sind die Analysten-Schätzungen (Gewinn-Anstieg +19%) im Vergleich zu den völlig falschen Konjunktur-Prognosen unbegreiflich treff-genau.

Unser Fazit: die Gewinne können nur wachsen, weil die Wirtschaft nicht schrumpft. Die treff-sicheren Analysten-Prognosen sind ein Spiegel der „Guidance“ seitens der Firmen und die verfügen augenscheinlich über hohe „Visibilität“ (trotz exogener Schocks kein Gewinn-Einbruch). Die Unternehmen sind selbst gegen plötzlichen Blitz-Einschlag bestens präpariert.

Die Politiker reagieren begeistert und jubeln bereits: Wo der Staat reguliert und kontrolliert, da haben die Firmen es leichter, jede Form von Unbill zu meistern. Die Börse versucht, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass der Albtraum einer Kommando-Wirtschaft immer realistischere Züge annimmt, weil das System scheinbar tatsächlich funktioniert.


 

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