Zur Bewertung von Hochzinsanleihen werden in der Regel diverse qualitative Faktoren und quantitative Kennzahlen betrachtet, die Aufschluss über die Ausfallwahrscheinlichkeit des Emittenten und/oder des Garantiegebers liefern sollen. Etwaige Rekapitalisierungsmöglichkeiten finden dagegen nur in den wenigsten Analysen die Berücksichtigung, die ihnen eigentlich zukommen müsste.

Im Mai-Newsletter haben wir an dieser Stelle das WWAM Quick Scoring Modell vorgestellt. Mit ihm lassen sich interessante High Yields schnell und mit überschaubarem Aufwand daraufhin überprüfen, ob sie grundsätzlich überhaupt für eine Aufnahme in unsere Portfolios in Frage kommen. Nur wenn dies der Fall ist, bieten sich die nähere Betrachtung und damit verbunden die ausführliche Kreditanalyse an.

Hierbei kommt unser ebenfalls selbstentwickeltes WWAM Credit Scoring Modell zum Einsatz. Im Mittelpunkt stehen dann zum einen quantitative Größen, die sich aus der retroperspektivischen Bewertung klassischer Credit Kennzahlen (z.B. Zinsdeckungsgrad, Leverage, operativer und Free Cash Flow) ergeben, und zum anderen die zukunftsorientierte qualitative Analyse, die sehr vereinfacht gesagt darüber Aufschluss geben soll, inwiefern das jeweilige Geschäftsmodell werthaltig und stabil ist. Hinzu kommen bondspezifische Kriterien, die sich aus dem Anleiheprospekt entnehmen und aus dem jeweils geltenden Schuldverschreibungsrecht ableiten lassen (z.B. Besicherung, Rangfolge, Kreditklauseln). Ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Rolle – und hier liegt sicherlich eine Besonderheit unseres Modells – spielt die Recapitalisation-Chance („Recap-Chance“).

Hope for the best, plan for the worst

Zwar wird die Frage eines möglichen Comebacks bei den ausgewählten High Yield Bonds idealerweise niemals relevant, die Erfahrung lehrt aber, dass es immer besser ist, diesen Joker in der Hinterhand zu wissen. Gegeben sind derartige Möglichkeiten immer dann, wenn die Emittentin in der Lage ist, sich im Falle eines Falles frisches Kapital von außen zu beschaffen. Diese Fähigkeit kann insbesondere aus folgenden Möglichkeiten ergeben:

  • Asset Sale: Die Existenz nicht zwingend benötigter Geschäftseinheiten bedeutet, dass zur Not durch Abverkäufe Liquidität beschafft werden kann. So haben sich Mining Companies wie Glencor, Anglo American oder Freeport McMoran in der Commodity-Krise 2015/2016 Luft durch den Verkauf nicht zum Kerngeschäft gehörender Sparten bzw. Rohstoffvorkommen verschafft. Ähnlich vorgegangen ist im Jahr 2009 auch HeidelbergCement. Nach der 14 Mrd. Euro teuren Übernahme des britischen Konkurrenten Hanson war Deutschlands größter Baustoffkonzern in finanzielle Schieflage geraten. Unter anderem durch die Veräußerung der Kalk-Aktivitäten sowie weiterer Geschäftsteile ohne strategische Bedeutung konnte diese jedoch beseitigt werden. So hat sich das Rating von zeitweise B1 (hochspekulativ) inzwischen wieder auf Baa3 (unterster Investment Grade Level) verbessert.

  • Kapitalerhöhung: Börsennotierte Firmen können über die Ausgabe zusätzlicher Aktien das Eigenkaptal und die Liquidität stärken. Dabei ist die Aktie immer als „Puffer“ für High Yield Investoren zu sehen. Als Alternative zu einer klassischen Kapitalerhöhung ist in der Praxis oftmals auch die Ausgabe von Wandelanleihen zu beobachten. Mit diesem Refinanzierungsmittel hat sich in den vergangenen Jahren beispielsweise das Spezialchemieunternehmen SGL Carbon über Wasser gehalten. Auch der vom zwischenzeitlich tiefen Ölpreis arg gebeutelte französische Röhrenhersteller Vallourec hat in der jüngeren Vergangenheit zwei Wandelanleihen begeben und eine Kapitalerhöhung platziert.

  • Bail Out: In Ausnahmefällen kann auch die Hilfe vom Staat ein Rettungsanker für die Bondholder sein. Dies ist etwa in Frankreich gelegentlich der Fall. So wurde erst 2015 der Atomkonzern Areva, der ansonsten höchstwahrscheinlich in die Insolvenz hätte gehen müssen, unter staatlicher Mithilfe gerettet.

  • Ankerinvestor: Bezüglich der Recap-Chance positiv zu werten sind zudem Ankerinvestoren mit hohem finanziellem und emotionalem Engagement, wie es u.a. bei Familienunternehmen oft zu beobachten ist. Anführen lässt sich hier aktuell etwa die italienische Mobilfunkgesellschaft WindTre, bei der es sich zwar nicht um ein Familienunternehmen handelt, an der aber zwei Milliardäre maßgeblich beteiligt sind. Sie müssten ihre Eigenkapitalinvestments auf null abschreiben, sollten die Bonds notleidend werden.

Zwar können Überlegungen bezüglich der Recap-Chance eine gründliche Kreditanalyse mittels qualitativer und quantitativer Faktoren niemals ersetzen, sie sollten aber stets in die Investitionsüberlegungen mit einbezogen werden. Schließlich ist immer eine Verschlechterung der Unternehmenskennzahlen durch konjunktur- oder sektorbedingte Einflüsse denkbar. Auch ein heute stabil wirkendes Geschäftsmodell kann aufgrund unvorhergesehener Entwicklungen deutlich an Attraktivität verlieren. Dann wird – gerade bei hochverschuldeten Konzernen aus dem High Yield Bereich – die Fähigkeit, sich frisches Geld zu besorgen, ein wichtiger Überlebensfaktor.