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- 10. Oktober 2009
Wenn der Nikolaus nicht kommt und die Ernte ausbleibt ...
Als Vermögensverwalter bekommt man manchmal die Gelegenheit, Einblick in die Depots von Fremdkunden zu nehmen. So geschehen bei einem Depotübertrag eines Neukunden, der vorher sein Depot von einer großen deutschen Bank managen ließ.
Nun ist schon oft über die Qualität der Beratung von Banken geschrieben wurden, und man glaubt, so langsam müssten doch beide Seiten, die Bank und der Kunde, etwas aus der Vergangenheit gelernt haben. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall.
So beträgt auch im Jahre 2010 in jenem Depot der Anteil an Produkten, welche die Bank unmittelbar beeinflusst, stolze 72 %. Das fängt bei der eigenen Aktie an, geht über hauseigene Fonds und hört bei Zertifikaten auf, deren Emittent idealerweise mit im eigenen Haus sitzt. Fairerweise muss man sagen, dass es sich bei den aktiven Fonds zum Teil um gute Produkte handelt, die über einen gewissen Beobachtungszeitraum ihre Benchmark schlagen konnten, auch die Gewichtung der hauseigenen Aktie mit 2 % ist sicherlich vertretbar. Über einen Bonuszertifikate-Fonds sowie einen Garantiefonds kann man geteilter Meinung sein.
Anders sieht es allerdings mit dem Anteil an strukturierten Zertifikaten aus, die mit 49,2 % fast die Hälfte des Depots ausmachen. Hier hört dann so langsam der Spaß auf, auch wenn sich unter den Produkten so lustige Namensschöpfungen wie Nikolaus II, Ernte-Anleihe, Frühlings-Bond und Stufenzins-Anleihe mit Garantie befinden. Die „Anleihen“ sollen mit ihrem Namen eine Art Sicherheit symbolisieren. Dies ist auch der Fall, sofern der Emittent, also sprich die Bank, auf dem Weg zur Fälligkeit nicht Pleite geht. Nehmen wir also an, die „Anleihen“ werden zum Nennwert zurückgezahlt, dann besteht doch erheblicher Zweifel an dem Kupon. Hier wurde bei Emission der Papiere (die im Übrigen mit einem Aufschlag von 2 % an den Endkunden gebracht wurden) ein verlockender fester Kupon für die beiden ersten Perioden in Aussicht gestellt, der über dem Marktzins lag. Nach zwei Jahren setzt sich dann die Höhe des Kupons aus einer komplizierten Formel zusammen, die auf Anfrage selbst der spezialisierte Mitarbeiter des Emittenten nicht hinreichend erklären konnte - so komplex sind diese Strukturen. Im Prospekt ist dann von „Szenarien“ die Rede, welche die Aktien im Korb erfüllen müssen.
Ob und wie hoch der nächste Zinskupon ausfällt, hängt bei diesen strukturierten Produkten von einem Aktienkorb ab, der zwischen 20 und 30 Titel enthält. Bei der Auswahl der Aktien ist kein Zusammenhang zu erkennen, so finden sich da über europäische Versorger bis hin zu amerikanischen Minenwerten und japanischen Autobauern die unterschiedlichsten Papiere. Hintergrund der scheinbar strategielosen Auswahl ist es vermutlich, eine hohe Korrelation der Aktien untereinander zu erreichen, da damit die Struktur günstiger gestaltet werden kann. Der Nachteil aus Investorensicht ist die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich Aktien mit negativer Wertentwicklung in dem Korb befinden. Und diese Wertentwicklung entscheidet über den Kupon. Konkret heißt das für die Nikolaus-, Frühlings- und Ernte-Anleihen unseres Beispielkunden, dass in den letzten Jahren der Kupon ausfiel und auch in 2010 mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Zinsen bezahlt werden.
Nun muss man sagen, dass ein Anleger, der in den letzten Jahren in irgendeiner Weise auf den Aktienmarkt gesetzt hatte, sich schwer tat. Der Vergleich hinkt aber deshalb, da ein Investor, der in diese strukturierte Papiere investiert, eher risikoavers ist. Er möchte also eher defensiv anlegen und einen Ertrag in Form von Zinsen erhalten. Dies ist ihm mit Nikolaus & Co. nur in den ersten beiden Jahren gelungen, als der Fixkupon ausbezahlt wurde. Bezieht man die „Nulljahre“ mit ein und rechnet die zu erwartenden Nicht-Auschüttungen auf den Zeitpunkt bis Fälligkeit hoch, dann ergibt sich für den Kunden eine durchschnittliche Rendite, die irgendwo zwischen 0,5 % und 2 % p.a. liegt - ein Investment in langweilige Staatsanleihen hätte da mehr gebracht.
Freuen darf sich allerdings der Emittent, der neben dem Ausgabeaufschlag eine stattliche Innenprovision verdiente. So konnte sich auch das Vertriebsteam in den Filialen der Bank noch ein Stück vom zu verteilenden Kuchen abschneiden. Und schließlich hat die Bank bei einer Laufzeit der strukturierten Produkte zwischen 5 und 7 Jahren genügend Zeit, mit dem billig geliehenen Geld des Kunden zu arbeiten. Ob allerdings das Institut bei den Eigenanlagen entsprechend der Jahreszeit auf saisonale Anlagevehikel wie Frühling-, Herbst- und Nikolaus-Bonds zurückgreift, darf bezweifelt werden.
Bleibt unter dem Strich die Erkenntnis, dass es in oder kurz nach der größten Bankenkrise offensichtlich noch kein Umdenken innerhalb der Branche gibt. Da schlummern Produkte in Kundenportfolios, deren Nutzen eigentlich schon immer vom Start weg auf Seiten der Bank lag. Hier haben die Institute offensichtlich ihre Verantwortung noch nicht verstanden. Bleibt zu hoffen, dass recht bald aus den Fehlern gelernt wird, sonst steht die nächste Krise bevor. Für den Kunden bleibt im Moment nur, sich von den Produkten (und ggf. der Bank) zu trennen, von denen einige nie wieder auf die Beine kommen und alternativ zu investieren, um zumindest von heute ab einen Mehrwert (für den Kunden) zu haben.