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- 09. März 2011
Das Ganze erinnert ein wenig an Hollywood-Heimkino (Kampf der Titanen). Gemeint sind:
1. die Schlamm-Schlacht zwischen Demokraten und Republikanern um den Haushaltsentwurf im US-Kongress;
2. Die Schlacht zwischen Ben Bernanke (Herr der Dollar-Notenpresse) und Bill Gross/ Pimco, dem als Chef-Einkäufer des größten US-Anleihe-Fonds wichtigsten Privat-Kunden der chronisch überschuldeten US-Nation (wichtigster Kunde überhaupt ist die Bernanke-Fed, die mittlerweile selber 70% aller Anleihen aufkauft, die der Staat begibt);
3. Die Schlacht zwischen EZB und Volkswirten, wo Letztere sich „entsetzt“ geben oder die Ankündigung der Leitzinsanhebung als „Paukenschlag“ vermarkten wollen (vor dem Hintergrund der boomenden Volkswirtschaft müssen die Herren sich wirklich fragen lassen, wer hier für dumm verkauft werden soll).
Einige Details: Im zweiten Teil seines halbjährlichen Howard Hawkins Testimony vor dem US-Kongress hat der Chef der welt-größten Notenbank Ben Bernanke mit der etwas überraschenden Botschaft für Aufsehen gesorgt, dass am Ende von QE-2 durchaus QE-3 folgen könnte (Fortsetzung der unkonventionellen Geldpolitik). Die US-Wirtschaft brauche dringend Hilfe – so gab es der oberste Geldhüter vorgestern zu Protokoll.
Zufällig und fast zeitgleich kritisierte PIMCO’s Bill Gross als Chef des weltgrößten privaten Bond-Fonds (und damit Käufer von Staatsanleihen) seine Meinung zum Besten. Kollege El Erian hatte bereits zuvor reklamiert, dass QE 2 mittlerweile mehr schadet als nutzt. Gross fügt hinzu: Sollte die US-Konjunktur nach QE 1 + 2 immer noch nicht auf eigenen Beinen stehen, dann sei die amerikanische Finanzpolitik kolossal gescheitert. Konkret kaufe die Fed bereits heute mehr als 70% aller vom Staat emittierten Schuldtitel auf. Gross fragt, wer diese Rolle übernehmen soll, wenn die Fed nicht mehr kann (Pimco augenscheinlich nicht).
Bernanke hat zum möglichen Zeitpunkt für QE-3 nur erläutert, dass die Fed unter keinen Umständen tolerieren werde, dass die Wirtschaft zum Stillstand komme oder sogar schrumpft. Bei unbeteiligten Dritten sorgt das für enorme Irritation. Die Fed versteht nur zu gut, was Pimco da moniert, denn schließlich kommandiert Bernanke den größten Kader an Princeton, Harvard, Yale oder MIT promovierten Elite-Volkswirten. Die Konjunktur-Früh-Indikatoren (ISM + PMI) haben mit dem höchsten Stand seit Jahrzehnten die Schwelle zum Boom erreicht. Das gilt neben Amerika und Europa eigentlich für die gesamte Welt (was nach $8.400 Milliarden Finanzspritze wohl kaum überrascht). DB-Research schätzt, dass der aktuelle ISM-Index einen weiteren Anstieg der Aktienkurse um mindestens 30% rechtfertigt, falls Öl und Zins dem Boom nicht das Genick brechen (Laut DB-Research sei eine „Normalisierung“ der EZB-Geldpolitik in den nächsten 3-6 Monaten faktisch unabwendbar).
Wer wie Bernanke vor diesem Hintergrund und im Kontext einer bereits ultra-lockeren Geldpolitik gezielt die Möglichkeit weiterer unkonventioneller Maßnahmen in den Raum stellt, der führt was im Schilde. Augenscheinlich will die Fed einen schwachen Dollar. Das ist per se nicht neu, scheinbar aber immer dringlicher. Der Boom der Weltkonjunktur wird nicht ewig dauern. Bernanke muss sich beeilen, wenn er die Gunst hoher ausländischer Nachfrage nutzen will, um Amerika über die Export-Schiene zu sanieren. Die Währung muss also ruck-zuck in den Keller. Bliebe noch die Frage, warum Bernanke den Dollar überhaupt opfert, wo er doch bereits 4% Wachstum erreicht hat? Diese Antwort ist komplex, hier ein Versuch:
1.) Der Aufschwung läuft auf Pump (groteske Staatsverschuldung) und die EU-Finanzkrise zeigt, wie lange so was gut geht bis der Kapitalmarkt streikt. 2.) Jetzt durchkreuzt der Ölpreis Bernankes Master-Plan, wonach die Schulden über höheres Wachstum/Steuereinnahmen abgestottert werden sollten. Tatsächlich wirkt der Preisanstieg wie eine Konsumsteuer und Wachstumsbremse, aber leider landen die Mehr-Einnahmen direkt im Schoß des Islam und anderer rohstoffreicher Länder. Amerika könnte auch gleich einen Scheck ausstellen, das gigantische Staatsdefizit ist die reinste Transferzahlung. Diesmal ist das Ungleichgewicht aber gefährlicher, denn neben dem riesigen Loch im Staatshaushalt sind auch die Gemeinden und Kommunen reihenweise K-O. Leere Kassen bei rasant steigenden Pensions-Lasten und schon ist die Tilgung fälliger Schuldtitel gefährdet (wie in Griechenland, Portugal, Irland). Für Pimco als Großinvestor in „Municipal Bonds“ (Kommunal-Anleihen) öffnet sich nach wertlosen Hypotheken-Bonds und Staatsanleihen jetzt ein neuer Abgrund. Experten wie Star-Ökonom Nouriel Roubini oder Star-Analyst Meredith Withney warnen vor Ausfällen bei Kommunal-Anleihen im Umfang von vielen hunderten MILLIARDEN (Kalifornien, Chicago, Wisconsin).
Doch Bernanke hat gestern erklärt, dass die Fed anders als bei Staats- und Hypotheken-Anleihen jetzt eine Linie in den Sand ziehe: man werde keine einzige Kommunal-Anleihe aufkaufen, um diesem Sektor aus der Patsche zu helfen. Der kommunale Infarkt sei nur über Steuereinnahmen zu verhindern. Genau deshalb muss ein Konjunktur-Boom her und zwar mit Gewalt.
Die Verzweifelung der Fed ist verständlich: der Ölpreisanstieg hat den gesamten Effekt der jüngsten Steuer-Erleichterrungen (Tax Holiday bei Sozial-Abgaben) zunichte gemacht. Als ginge nicht schon genug Wachstum dadurch verloren, dass die Gemeinden und Kommunen sich gesund sparen müssen, damit der Markt für Municipal Bonds der Fed nicht auch noch um die Ohren fliegt, da drohen die den Kongress jetzt beherrschenden machthungrigen Republikaner auch noch mit Haushalts-Kürzungen (neue Wahlkampf-Strategie). Laut GoldmanSachs würde so etwas schlappe 1-2% GDP kosten und laut Bernanke mindestens 200.000 Arbeitsplätze ausradieren. Die Fed steht mit dem Rücken zur Wand: der Ölpreis-Anstieg muss mit der Hilfe von Nullzinsen quer-subventioniert werden, wenn die bisherige Schulden-Sause überhaupt einen Sinn gehabt haben soll. Die „Öffentlichkeit“ nimmt das aber nicht mehr länger stillschweigend hin. Geradezu heuchlerisch haben die lautstärksten Kritiker der zügellosen Verschuldungs-Orgie am meisten davon profitiert. Wall-Street wäre ohne staatliche Rettung schon längst im Abgrund verschwunden. Trotzdem warnen neben Pimco und Warren Buffet jüngst auch Publikums-Scheue Geld-Legenden wie Sam Zell der Immobilien-Milliardär oder Hedge-Fund-Titan Ray Dalio von Bridgewater Associates vor dem Untergang Amerikas!
Am Aktienmarkt herrscht heillose Irritation (höhere Steuern? Ölpreis als Konsumbremse? Zinsen, die das Wachstum belasten?). Mehr Inflation bedeutet, dass der heutige Investor weniger für die zukünftigen Erträge bezahlen will, denn bei höherem Diskont-Faktor sind gleiche zukünftige Gewinne weniger wert.
PS:
Trichet hat auf die Frage, ob höhere Zinsen nicht problematisch für die Süd-Flanke der EU sind erläutert: die staatlichen Spar-Haushalte belasten die Wirtschaft bereits so sehr, dass stabile Preise gerade für die armen Länder höchste Priorität besitzen. Die EZB werde im Geld-Tender aber weiter unlimitierte Beträge zuteilen, um die Banken zu stützen – nur leider zu höheren Zinsen.
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