Wolfgang Packeisen, ADP Investment Management AG

Die Schulden-Krise hat (bei aller Kritik an den handelnden Personen) eine Katharsis ausgelöst (Läuterung), und das gilt nicht nur für Europa, sondern global. Seit dem Ausbruch in 2007 wurden unzählige Veränderungen umgesetzt, durch die das System stabiler und belastbarer geworden ist. Konkret wurden:

• Alte- respektive Über-Kapazitäten verschrottet;

• Unternehmen und Betriebe wettbewerbsfähig getrimmt und mit mehr Kapital unterlegt;

• Private Verschuldung reduziert, öffentliche Haushalte gestrafft;

• Gesetze und Struktur-Reformen zur systematischen Stabilisierung verabschiedet;

• Dogmatiker in Athen und Rom, sowie an den Spitzen von EZB und Bundesbank durch Pragmatiker ersetzt;

Technokraten übernehmen das Regime und lösen die unheilvollen Politiker ab. Doch die chronischen Nörgler und Kritiker lassen nicht locker. Sie wollen Europa nicht nur krisenfest, sondern rezessionsfest und wenn möglich sogar depressionsfest machen. Außerdem soll das Tempo des Umbaus auf Raten oder im Kriechgang forciert werden. Konkret wird jetzt der Druck auf die EZB erhöht, die Geldpolitik schneller und aggressiver zu lockern. Allein der Blick auf Amerika zügelt in der EZB den Appetit auf monetäre Experimente. Die amerikanischen Fed-Gouverneure sind schier fassungslos, dass der US-Arbeitsmarkt absolut keine Reaktion zeigt, trotz des historisch einzigartigen monetären und fiskalen Gewaltrittes.

Volkswirte kommen zu folgendem Urteil: die hohe Arbeitslosigkeit ist nicht zyklisch, sondern strukturell. Die US-Firmen beklagen einen chronischen Mangel an Fachkräften (Beweis: offene Stellen steigen, was eine expandierende Wirtschaft signalisiert, obwohl die Arbeitslosenrate nicht fällt). In der Praxis werden lieber Fachkräfte von der Konkurrenz abgeworben, obwohl das viel teurer ist, als einen Langzeit-Arbeitslosen mühsam in den laufenden Betrieb zu integrieren.

Zweischneidiges Schwert: die Bereitschaft zur „unkonventionellen“ (ungezügelten) Geldpolitik aller G-20 Nationen folgt der volkswirtschaftlichen These, wonach ein Arbeitskräfte-Überhang fallende Lohnkosten garantiert. Die Praxis entlarvt das als zentralen Irrtum, denn wer Arbeit hat, der kommt in den Genuss von Lohnzuwachs (91% der Amerikaner). Steigende Real-Einkommen (wachsender Konsum) sind „Schuld“, das immer mehr Volkswirte plötzlich 4% Real-Wachstum für das Q4 in den Raum stellen (statt einer Rezession). Für Analysten ist der mit Lohnzuwachs verbundene Mehr-Konsum eine „böse“ Überraschung, denn der Ruf nach einer verschärften monetären Lockerung klingt damit völlig unglaubwürdig. Praktische Folgen: in scharfem Kontrast zum Kapitalmarkt (Aktien) misstraut der Ölmarkt dem Rezessions-Szenario (Rohöl ist in den letzten Wochen sehr stark gestiegen).

Die Gefahr dieser Entwicklung liegt aber auf der Hand: das verbesserte konjunkturelle Szenario könnte die Super-Kommission in Washington dazu verleiten, auf den dringend erforderlichen Kompromiss zur Haushalts-Sanierung (aus wahlkampf-taktischen Gründen) zu verzichten.

 

 

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